Da hilft nur eins: Reden!

Gegen dumpfe Parolen von  "Legida" und "Pegida" hilft nur miteinander reden
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Da hilft nur eins: Reden!
Eine Pfarrstelle in Dresden oder Leipzig ist in Zeiten von "Pegida" und "Legida" kein einfacher Job. Erst recht nicht, wenn sich im Stadtteil einer Kirchgemeinde Widerstand gegen ein Asylbewerberheim formiert. Ein offenes Ohr für Ängste und Sorgen haben Pfarrerinnen und Pfarrer immer. Aber wenn Christen rechte Parolen rufen, ringen auch sie um Fassung.

"Dieses Problem geht durch alle Gruppen und Kreise, von den Jugendlichen angefangen bis zu den Senioren", sagt Matthias Schille. Er ist Pfarrer im Dresdner Stadtteil Laubegast, wo Bürger durch ihren Protest die Unterbringung von Flüchtlingen in einem Hotel verhindert haben. Zwar heiße die Mehrheit der Evangelischen die Asylbewerber im Ort willkommen und wolle ihnen helfen, doch einige Gemeindeglieder entdeckte Schille zu seiner Überraschung auf der anderen Seite – bei denen, die die Fremden ablehnen. "Das belastet mich persönlich sehr", sagt der Pfarrer.

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Auch Britta Taddiken, Pfarrerin in der Leipziger Thomaskirche, hat derzeit einen schweren Stand: Sie predigt so konsequent für Nächstenliebe und gegen Ausländerfeindlichkeit, "dass man mir in meiner Motettenansprache zum vierten Advent in der Kirche Prügel angedroht hat". Ein auswärtiger Besucher war das, immerhin keiner aus der eigenen Gemeinde wie bei ihrem Kollegen Michael Günz von der Sophienkirchgemeinde in Leipzig: Als er in seiner Weihnachtspredigt Farbe bekannte, "sind hinterher einige mit bitterbösen Gesichtern an mir vorbeigelaufen", erzählt Günz. "Die müssen da durch", fügt er schulterzuckend hinzu.

Die Meinungsunterschiede in Sachen "Ausländer" gehen nicht nur quer durch die Kirchgemeinden, sondern sogar quer durch Familien. Günz erzählt von einem Anruf, nachdem er mit Konfis das Thema "Flüchtlinge" durchgenommen hatte: "Das geht doch wohl nicht", hätten die Eltern gesagt. Der Pfarrer war bestürzt. "Der Junge hatte sich richtig engagiert und war voll dabei – aber die Eltern waren eben anders drauf." Es mache ihn traurig, so etwas aus seiner eigenen Gemeinde zu hören, sagt Michael Günz, "vor allem bei Leuten, von denen ich das nicht erwartet hatte."

Friedensgebet in der Kreuzkirche in Dresden...

Wie die meisten seiner Kolleginnen und Kollegen ist Pfarrer Matthias Schille aus Laubegast der Ansicht, dass nur eins hilft: "Reden, reden, reden – das ist das wichtigste." Es ist auch die Überzeugung des lutherischen Landesbischofs Jochen Bohl, der die Kirchgemeinden in Sachsen dazu aufgerufen hat, Gesprächsabende in den Kirchen anzubieten. Dabei sollten "biblische Maßstäbe zur Orientierung " eingebracht werden. Die Menschen seien "angesichts dieser politisch und gesellschaftlich neuen Entwicklungen auf der Suche nach Orientierung und Austausch", schreibt Bohl. "Das merken wir nahezu in jedem Gespräch, welches wir privat oder dienstlich führen."

Das merkt auch Olaf Börnert, Pfarrer im Desdner Stadtteil Klotzsche, wo ein Asylbewerberheim geplant ist. Durch seine Kirchgemeinde "gehen die Meinungen hindurch, dafür und dagegen". Woher kommt der Widerstand? "Naja, das sind in erster Linie diffuse Ängste", erklärt der Pfarrer, "also zunächst Vorbehalte gegen alles Fremde. Die zweite Angst ist der Sozialneid: 'Da kommen nun Leute zu uns, die wollen Geld von uns, die wollen auf unsere Kosten leben'", zitiert er Gemeindeglieder. "Und es gibt Ängste wegen erhöhter Kriminalität im Umfeld von Asylbewerberunterkünften." Ähnlich fasst es Michael Günz aus Leipzig zusammen: "Zuerst schlagen meistens die Emotionen hoch: 'Wir kennen die Leute nicht, die da kommen, wir haben Angst vor Anschlägen.' Und dann kommt auch: 'Unsere Rente reicht nicht und wir wissen nicht weiter mit dem Geld'". Die Menschen hätten "einfach nur Angst, dass ihnen was weggenommen wird".

Kirche muss klar Position beziehen

Alles nichts neues, sagt Britta Taddiken aus Leipzig: "Uns beschäftigt ja dieses Phänomen nicht erst seit gestern." Fragen, Zorn und diffuse Ängste  – "das fällt ja nicht vom Himmel. Das kennen wir doch aus unserer Gemeindearbeit aus den letzten 20 bis 40 Jahren. Das ist doch das täglich Brot." Bei Geburtstagsbesuchen höre sie dieselben Aussagen wie auf den "Pegida"-Demos. "Das ist ein bizarrer Wettkampf, der da läuft", analysiert die Pfarrerin: "Wer ist hier der am schlechtesten Weggekommene und der am wenigsten Gehörte?" Doch aus dem Gefühl der Benachteiligung heraus "gegen alles und jeden hemmungslos zu wüten", hält sie für eine Art "frühkindlichen  Rückfall", das habe "mit vernünftigem Verhalten nichts mehr zu tun".

... und in der Nikolaikirche in Leipzig

Hilft Reden wirklich? Oder kann man es gleich sein lassen? "Es ist nach wie vor schwierig, eine Diskussion zu führen", sagt die katholische Theologin Elisabeth Naendorf, Referentin im Ökumenischen Informationszentrum und Geschäftsführerin des Stadtökumenekreises Dresden. Diskussion setze ja voraus, "dass man bereit ist, sich auch mal eine Argumentation anzuhören". Meistens komme nur ein Austausch von Meinungen zustande, zum Beispiel im Anschluss an die montäglichen Friedensgebete in der Kreuzkirche, zu denen durchaus auch "Pegida"-Anhänger erscheinen.

"Es sagt jemand etwas, und entweder kann man's gerade noch ertragen zuzuhören, oder man muss an einer Stelle auch sagen: An dem Punkt kann ich das nicht mehr mitgehen", erzählt Elisabeth Naendorf von ihren "Diskussions"-Erfahrungen. In der Regel würden sich Meinungen nicht verändern. Dieselbe Erfahrung machte Olaf Börnert bei den Gesprächsabenden in seiner Kirchgemeinde in Klotzsche: "Wer da mit einer ablehnenden Einstellung gekommen ist, ist auch mit dieser Einstellung wieder gegangen."

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In persönlichen Vier-Augen-Gesprächen mit Gemeindegliedern kommt Pfarrer Michael Günz allerdings auch zu erfreulicheren Ergebnissen. Einen typischen Gesprächsverlauf beschreibt er: "Wenn islamfeindliche Sachen kommen, dann frag ich: 'Wie würden Sie es sich denn vorstellen, wie unser Leben hier aussieht?' Und wenn dann kommt: 'Wir reglementieren dies und jenes', dann frage ich: 'Was manchen wir denn dann mit der Religionsfreiheit unserem Grundgesetz?' – 'Aber in den Ländern dort geht's doch auch nicht.' – 'Na dann überlegen Sie sich doch mal: Wollen wir das genauso machen wie die anderen, bloß unter unseren Vorzeichen? Wollen wir dann wieder eine Diktatur einführen, wollen wir das wirklich?' Und dann kommt meistens: 'Nee, das wollen wir nicht.' Dann macht es Klick. Wenn schon Freiheit, dann muss es für alle Freiheit geben."

Hartnäckiges Zurückfragen ist Günz' Erfolgsrezept, er will die Menschen zum Nachdenken bringen. Sinnvoll sei es, bei Älteren an deren Migrationserfahrung anzudocken – ob an eine Flucht aus Schlesien oder die Konfrontation mit dem neuen politischen System im eigenen Land, auch das sei eine Art Migration. "Selbstreflexion ist wichtig", sagt Günz, "Dann kann man sich nämlich wieder neu irgendwo einordnen." "Diskussionen – ja, gerne", sagt auch Britta Taddiken aus Leipzig, "aber nur, wenn man auch klar sagt, was evangeliumsgemäß ist und was nicht." Die Pfarrerinnen und Pfarrer müssen in den Gesprächen oft balancieren zwischen Verstehen einerseits und der "klaren Kante" anderseits. "Es gibt ein Bedürfnis von Menschen, dass Kirche klar Position bezieht", sagt Olaf Börnert, und diese Position kann nur das höchst Gebot sein, da sind sich die Kolleginnen und Kollegen mit Britta Taddiken einig: "Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst." Das sei ihnen als Christen geboten, sagt Michael Günz: "Nächstenliebe ist nicht verhandelbar." 

Auch wenn die Pfarrerinnen und Pfarrer in diesen Tagen viel Zeit in Demos, Mahnwachen und Lichterketten verbringen: An ihrem eigentlichen Job hat sich nichts geändert. Sie verkündigen das Evangelium und kümmern sich um die Menschen; sie predigen und führen Gespräche. Dabei stehen sie immer für etwas ein, nämlich für die das Miteinander, für den Wert eines jeden Menschen vor Gott, für Nächstenliebe. "Für eine offene Stadt der Vielfalt, für eine Willkommenskultur, für einen Dialog aller demokratischer Bürger und Parteien", so formuliert es Bitta Taddiken in Leipzig. "Problematisch ist es, wenn es gegen Menschen geht", sagt ihr Kollege Michael Günz, "oder gegen eine Religion", ergänzt Elisabeth Naendorf, die gestehen muss: "Dass es auch Christen gibt, die diese Positionen von 'Pegida' teilen, das kann ich persönlich nicht nachvollziehen, da bin ich einfach sprachlos."