Keine Angst vorm Älterwerden im "Jahr für aktives Altern"

Keine Angst vorm Älterwerden im "Jahr für aktives Altern"
Wird Europa zum Altenheim? Während die Zahl der alten Menschen wächst, will die EU das Schreckgespenst des vergreisenden Kontinents vertreiben. Mit einem "Jahr für aktives Altern" wirbt Brüssel für einen positiven Umgang mit dem Älterwerden.
06.02.2012
Von Katharina Weyandt

Die Zahlen sprechen für sich: Seit 1980 altert Europa immer schneller. Liegt der Altersdurchschnitt in den 27 EU-Staaten heute bei etwa 41 Jahren, so wird er Berechnungen zufolge 2060 bei 48 Jahren liegen. Schon jetzt sind 87 Millionen (17 Prozent) der Bürger im Staatenbund über 65, so viel wie die Bevölkerung von Deutschland und Dänemark zusammen.

Angst und Schrecken soll dieses Szenario jedoch nicht verbreiten. Im Gegenteil: Die EU hat 2012 zum Themenjahr des aktiven Alterns ausgerufen. Ziel der Kampagnen und Projekte ist es, europaweit einen positiven Umgang mit dem Alter zu finden.

Die EU will düsteren Zukunftsprognosen vom "Altenheim Europa" entgegentreten. Das Bild vom vergreisten Kontinent stimme nicht mehr, betonen Experten. Ihr Hauptargument lautet: die Alten sind heute gesünder und meist auch aktiver als früher.

Längst unterteilt die Wissenschaft das Altwerden in die Phase des "Dritten Alters" bei fast unveränderter Fitness und des "Vierten Alters" etwa ab 80 Jahren, wenn die Gebrechen spürbar werden. Auch gebe es allen Unkenrufen zum Trotz keine Anzeichen für einen "Krieg der Generationen". Alle Studien sprächen dafür, dass Familien weiter gut zusammenhalten, erklärt die Gerontologin Christiane Kaiser aus der Deutschen Geschäftsstelle des Themenjahres.

Aktive Ex-Ministerin mit 82 Jahren

Aktivsein als Schlüssel zu einem positiven Umgang mit dem Alter, dafür wollen die Staaten werben. Aktive Alte, deren Fähigkeiten geschätzt und anerkannt werden, trügen zur "Solidarität zwischen den Generationen" bei. Dieses Ziel wurde dem Themenjahr als Zusatz angegliedert, erläutert Kaiser. Viele Länder würden den Schwerpunkt auf die Themen Alter und Arbeitsmarkt legen, weil sie ihr Renteneintrittsalter von meist 60 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer erhöhen wollen.

Im Vergleich zu den Nachbarn sei Deutschland in der Seniorenpolitik weit entwickelt, urteilt Kaiser. Seit 1991 führt das Familienministerium die Ergänzung "für Senioren" im Namen, 1993 erschien europaweit der erste "Bericht zur Lage der älteren Generation" der Bundesregierung. Inzwischen liegt schon der 6. "Altenbericht" vor.

Erreicht hat das Ursula Lehr (CDU), die als erste deutsche Professorin für Gerontologie 1988 Bundesfamilienministerin wurde. Heute, mit 82 Jahren, ist sie Vorsitzende der "Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen", die 13 Millionen Mitglieder vertritt. Aktuell kämpft die Arbeitsgemeinschaft vehement gegen diskriminierende Altersgrenzen. Bei Bewerbungen sollten Ältere gleiche Chancen haben. Das Rentenalter sollte flexibel beginnen, lautet eine weitere Forderung.

Themenjahr findet großes Echo

Das Themenjahr löste in Deutschland große Resonanz aus. Über 300 Bewerbungen um Fördergeld gingen im Familienministerium ein. Ausgewählt wurden 46 Initiativen, die Impulse für aktives Altern und Generationensolidarität in die Bevölkerung tragen wollen. So findet zum Beispiel in der Region Rhein-Neckar eine Demografie-Woche statt.

Greifswald veranstaltet ein Bildungsforum mit seinen Partnerstädten, bundesweit gibt es "Aktionstage Gemeinschaftliches Wohnen". In Eisenach wird ein Radioprojekt für Kids und Senioren vorbereitet. Auf das Miteinander von Jung und Alt setzt auch der Tag der Generationen bei den "Europäischen Leichtathletik-Meisterschaften der Senioren" in Zittau.

Ein Höhepunkt mit erwarteten 20.000 Besuchern soll der 10. Deutsche Seniorentag Anfang Mai in Hamburg werden. Ursula Lehr über die Botschaft: "Wir sagen Ja zum Altern und versuchen alles, um möglichst gesund und kompetent älter zu werden."

epd