Christen im Sudan leben mit Gewalt und Schikanen

Foto: Reuters/Mohamed Nureldin Abdallah
Christen im Sudan leben mit Gewalt und Schikanen
Während der neue Staat Südsudan christlich-animistisch geprägt ist, leben im nördlichen Staat Sudan überwiegend Muslime. Christen sind dort Diskriminierungen ausgesetzt - sogar durch die Regierung. Der Fall der zum Tode verurteilten Meriam Ibrahim hatte weltweit Aufsehen erregt.
08.09.2014
Thomas Müller, Open Doors

Im September 2013 wurde Meriam Ibrahim wegen Apostasie, des Abfalls vom islamischen Glauben, verhaftet und danach durch ein Gericht zum Tod durch Erhängen verurteilt. In der Haft bekam sie ihr zweites Kind. Im Juni 2014 wurde Ibrahim freigelassen, beim Versuch ihrer Ausreise aber erneut festgenommen und für einen Monat festgehalten. Am 24. Juli 2014 konnte sie schließlich den Sudan Richtung Italien verlassen und Anfang August in die USA weiterreisen. Meriam Ibrahims Odyssee lenkt den Blick auf die Situation der Christen im Sudan.

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Nach einem langen und blutigen Bürgerkrieg und nach einem Referendum mit überwältigender Mehrheit trennte sich 2011 der südliche Teil des Sudan vom Norden ab, um den neuen Staat Südsudan zu bilden. Dieser ist vorwiegend christlich-animistisch, während der Norden – der jetzige Staat Sudan – vorwiegend muslimisch ist. Aufgrund der besseren wirtschaftlichen Situation arbeiteten bis zu eine Million Christen im Norden, viele haben sich aber in den Süden aufgemacht, weil der Druck auf sie in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Genaue Zahlen sind aufgrund der unübersichtlichen Situation vor Ort nicht zu erhalten.

Kirchen werden abgerissen

Sudan steht auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors, einer Rangliste der Staaten, in denen Christen am meisten verfolgt werden, auf Platz 11. Der heute immer noch amtierende und weiterhin von einem internationalen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen bedrohte Präsident des Sudan, Omar al-Bashir, hat während des Prozesses der Teilung des Landes mehrfach öffentlich verkündet, dass er aus dem Norden einen islamischen Staat gemäß den Regeln der Scharia machen wolle. Die Angriffe der eigenen Regierung auf die christliche Minderheit in den Nuba-Bergen in den Bundesstaaten Süd Kordofan und Abyei gehen weiter, selbst ein Krankenhaus wurde im Mai 2014 bombardiert. Laut den Vereinten Nationen wurden durch die Regierungsaktionen mehr als eine Million Menschen vertrieben.

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Ähnliche militärische Attacken werden auch aus der Region Darfur und dem Bundesstaat Blauer Nil gemeldet. In Darfur unterstützt die Regierung die gefürchteten arabischen Reitermilizen der Dschandschawid, welche christliche und andere Minderheiten verfolgen. Der emeritierte katholische Bischof von El Obeid, Macram Gassis, sprach in diesem Zusammenhang bei einem Besuch in den USA Anfang August 2014 davon, dass es sich dabei nicht um einen Krieg, sondern um eine "ethnische Säuberung", ja gar einen Genozid handelt.

Der Minister für religiöse Angelegenheiten, Shalil Abdullah, hat im Juli 2014 angekündigt, dass keine Baugenehmigungen für neue Kirchengebäude erteilt werden. Er begründete dies damit, dass aufgrund der Sezession des Südsudan die Zahl der Christen im Land nachhaltig zurückgegangen sei und es daher bereits genug Kirchen gebe. Der Sprecher des sudanesischen Kirchenrates, Reverend Kori El Ramli, hat darauf hingewiesen, dass die Regierung Christen immer wieder zwangsweise umsiedle und diese Gruppen daher ihre Kirchengebäude verlieren. Er sagte, dass eigentlich mehr Kirchengebäude benötigt würden und schloss mit dem Appell: "Danken wir dem HERRN, dass er seine Gemeinde baut. Aber beten Sie auch dafür, dass inmitten von Bedrängnis und Feindseligkeit die Christen Gnade haben, weiter mit ihrem HERRN zu leben und dass noch viele zum Glauben an ihn kommen."

Die Regierung fährt damit fort, Kirchengebäude zu schließen und zu konfiszieren. Am 30. Juni 2014 bekam die Sudanesische Kirche Christi (SCOC) in Bahri im Norden von Khartoum die Mitteilung, dass ihr Kirchengebäude binnen 24 Stunden abgerissen werde, weil die Regierung entschieden habe, dort Wohnraum zu schaffen. Die Kirchenleitung bat die Behörden darum, den Vollzug doch wenigstens bis zum Ende der Regensaison aufzuschieben, doch vergeblich. Das Gebäude wurde umgehend abgerissen, mehr als 600 Kirchenmitglieder hatten keinen Raum mehr, in welchem sie Gottesdienst feiern konnten. Eine Baugenehmigung für einen anderen Ort können sie aufgrund der Regierungspolitik nicht erwarten. Momentan versammeln sie sich in einem Zelt, doch muss dieses nach jedem Gottesdienst wieder abgebaut werden.

Konflikte in der Familie

Mitte August 2014 wurde die pfingstkirchliche Central Church in Khartoum darüber informiert, dass die Regierung ihren Besitz beschlagnahmen wird, obwohl die Kirche rechtmäßige Eigentümerin von Grundstück und Gebäude ist und dies auch dokumentieren kann. Die Entscheidung wurde nicht begründet. Mehr als 300 einheimische Christen, aber auch 250 Ausländer, die den englischsprachigen Gottesdienst besuchen, sind von dieser Entscheidung betroffen.

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Aufgrund der anhaltenden Regierungspolitik kann man den Eindruck bekommen, dass deren Ziel die möglichst rasche Vertreibung aller Christen ist. Dies wiederum würde mit der Aussage Präsident Bashirs zusammenpassen, der die Einführung eines echten islamischen Staates angekündigt hat.

Besonders betroffen in dieser Situation sind Konvertiten, die sich aus dem Islam dem Christentum zugewandt haben. Dies führt vor allem zu enormem Druck aus der eigenen Familie, wieder zum "wahren Glauben", dem Islam, zurückzukommen – auch Meriam Ibrahim sah sich Klagen der eigenen Familie ausgesetzt. Doch die Öffentlichkeit und die Behörden werden alles tun, um diese Christen wieder zum Islam zurückzubringen. Ein Beispiel hierfür ist Hayat (Name geändert), eine junge Frau Mitte zwanzig. Sie war schwer erkrankt und konnte nirgends Heilung finden. Erst als einige christliche Freunde für sie beteten, wurde sie wieder gesund und nahm selbst Christus als ihren Erlöser an. Obwohl sich ihre Familie sehr über die Heilung freute, lehnten alle ihren neuen Glauben ab. Ihr Vater diskutierte zuerst mit ihr und drohte schließlich, sie umzubringen. Durch ihren christlichen Glauben habe sie Schande über die Familie gebracht, sagte er.

Nicht ohne die Familie und nicht ohne Jesus

Als Hayat damit fortfuhr, die Kirche zu besuchen, kam es zur Konfrontation. Ihr Vater und einige Dorfbewohner bewaffneten sich mit Stöcken und Macheten, um sie zu einer Rückkehr zum Islam zu bewegen. Doch Hayat blieb standhaft. Deshalb wurde sie von den Behörden vor den Augen ihres weinenden Vaters abgeführt. Sie blieb für drei Monate in Polizeigewahrsam und durfte keinen Besuch ihrer christlichen Freunde empfangen. Stattdessen kamen viele muslimische Älteste und auch ihre Familie und versuchten, sie mit Versprechungen auf Geschenke zu überzeugen.

Als Hayat ihnen erklärte, dass sie dies beleidigend finde und überdies mit Jesus Christus viel bessere Dinge gefunden habe, wurde sie zur psychiatrischen Behandlung in ein Krankenhaus eingeliefert. Dort aber erzählte sie den Angestellten so begeistert über ihren christlichen Glauben, dass das Krankenhaus sie zurückschickte, weil sie "daraus eine Kirche mache". Da die Polizei keinen rechtlichen Grund für ein weiteres Festhalten Hayats hatte, entließ sie sie in die Obhut ihres Vaters. Der konfrontierte sie mit einer Entscheidung: entweder dem christlichen Glauben abzuschwören und bei ihrer Familie zu bleiben oder Christin zu werden und auf sich selbst gestellt zu sein. Nach einigen Tagen Gebet war Hayats Entscheidung klar. Sie sagte ihrem Vater: "Du bist mein Vater. Ich will bei Dir leben und Dir dienen. Aber ich kann nicht ohne Jesus leben."

Wie erwartet musste Hayat das Haus verlassen und ihr Vater brach jeden Kontakt mit ihr ab. Anders als viele andere Konvertiten fand sie allerdings Zuflucht im Haus einer Tante, die ihr sogar erlaubte, als Christin zu leben. Hayats Beispiel steht stellvertretend für viele andere.

*Der Autor Thomas Müller schreibt unter Pseudonym, um seine Reisefreiheit in Länder nicht zu gefährden, in denen Christen verfolgt oder unterdrückt werden. Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt.