Kundgebung gegen Judenhass: "Genug ist genug!"

Demonstration "Nie wieder Judenhass!" am Brandenburger Tor in Berlin
Foto: epd-bild/Rolf Zöllner
Mehrere tausend Menschen haben sich am Sonntagnachmittag am Brandenburger Tor in Berlin versammelt, um gegen Judenhass in Deutschland und Europa zu protestieren.
Kundgebung gegen Judenhass: "Genug ist genug!"
Seine Alpträume seien weit übertroffen worden, sagt der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, angesichts jüngster antisemitischer Vorfälle. Am Sonntag setzte eine Kundgebung in Berlin ein Zeichen. Rund 6.000 Menschen nahmen daran teil.
14.09.2014
epd
Anne Onken

Seit Monaten sorgen Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland für Empörung. Bei Demonstrationen zum Nahost-Konflikt werden antisemitische Parolen skandiert. Für Sonntag hatte der Zentralrat der Juden zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen, der Titel: "Steh auf! Nie wieder Judenhass!" 6.000 Menschen kamen.

###mehr-links###

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Übergriffe scharf: "Dass Menschen in Deutschland angepöbelt werden, weil sie sich als Juden zu erkennen geben, ist ein ungeheurer Skandal." Es schmerze sie, dass jüdische Eltern fragen, ob sie Kinder in Deutschland großziehen können. Das Judentum sei Teil der deutschen Identität, stellte Merkel klar: "Wer Menschen mit Kippa krankenhausreif schlägt, schlägt uns alle. Wer Grabsteine beschmiert, schändet unsere Kultur. Wer Synagogen schändet, rüttelt an den Grundfesten unserer Gesellschaft."

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, beklagte, dass die jüdische Gemeinschaft zu der Kundgebung habe aufrufen müssen: "Warum müssen wir das eigentlich selbst anstoßen?" Die Juden in diesem Land hätten wahrlich kein Sommermärchen erlebt. Man habe Ausbrüche von Antisemitismus gesehen, die man niemals für möglich gehalten hätte. "Unsere Alpträume, ja meine eigenen Alpträume sind weit übertroffen worden." Doch: "Genug ist genug!" Die Juden in Deutschland ließen sich Ausbrüche von Antisemitismus nicht mehr gefallen.

Wowereit: "Setzen wir ein Zeichen für Akzeptanz und gleiche Rechte"

An die Vertreter der muslimischen Verbände appellierte Graumann, antisemitische Stimmungen in den eigenen Reihen konsequenter zu bekämpfen. "Gerade die Muslime dürfen doch nicht zulassen, dass islamistische Fanatiker ihre Religion missbrauchen, um antisemitischen Hass zu schüren." Dass das Wort "Jude" auf deutschen Schulhöfen und Sportplätzen mittlerweile seit Jahren als Schimpfwort benutzt werde, sei ein Skandal.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider und der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, bei der Demo in Berlin


Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte mehr Mut und Zivilcourage im Kampf gegen jegliche Form von Ausgrenzung: "Stehen wir auf gegen Fremdenhass und Homophobie, gegen Antisemitismus und Judenhass. Setzen wir ein Zeichen für Akzeptanz und gleiche Rechte."

Deutschland stehe ohne Wenn und Aber zum Existenzrecht Israels. "Lassen wir nicht zu, dass unter dem Deckmantel der Kritik antisemitisch gehetzt wird." Auch sprach sich Wowereit dafür aus, die Chancen eines NPD-Verbots erneut zu prüfen.

Schneider: Kirche muss aufarbeiten, was sie beigetragen hat

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, warnte davor, nur in Deutschland lebende Muslime für die Eskalation verantwortlich zu machen. Die muslimischen Verbände hätten sich in dankenswerter Klarheit von jeder Form des Antisemitismus distanziert.

###mehr-artikel### "Der Antisemitismus war in der deutschen Bevölkerung selbst nach den Nazi-Verbrechen niemals vollständig überwunden", sagte Schneider: "Wir wollen uns mit 20 Prozent latentem Antisemitismus in unserer Gesellschaft nicht abfinden. Auch unsere Kirche muss immer neu erkennen und aufarbeiten, was sie zur Judenfeindschaft beigetragen hat." Antijudaismus sei seit nahezu 2.000 Jahren auch aus christlicher Theologie heraus erwachsen.

Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, nannte Antisemitismus ein Problem, das alle angehe. An die Vertreter der jüdischen Gemeinden in Deutschland gerichtet sagte er: "Sie sind nicht alleine. Wir stehen an Ihrer Seite, wollen nie wieder erleben, dass Juden und Christen gegeneinanderstehen."

Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sagte mit Blick auf die antisemitischen Vorfälle der vergangenen Monate, es gäbe Länder, in den man so etwas habe erwarten können, aber gewiss nicht in Deutschland: "Niemals werden wir Judenhass akzeptieren, weder in Deutschland noch anderswo. Wir können es nicht akzeptieren, dass unsere Kinder aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Frucht leben."