Christen reden über Homophobie - in den eigenen Reihen

Eine Regebogenflagge an einer Kirche. Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Regenbogenfahne ein internationales schwul-lesbisches Symbol.
Christen reden über Homophobie - in den eigenen Reihen
Rund ein Dutzend Kirchenaktive waren am Freitag Abend im Berlin-Charlottenburger "Haus der Kirche" zusammen gekommen, um über Homophobie und Ausgrenzung Transsexueller in den eigenen Reihen zu reden. Denn anders als zu erwarten gewesen wäre sind christliche Gemeinden alles andere als ein Hort der Toleranz, des gegenseitigen Verständnisses und der Nächstenliebe. Das behauptet zumindest eine mittlerweile vier Jahre alte Studie der Universität Bielefeld.

"Mich hat die Studie erst mal in einen Schockzustand versetzt. Christen sind nicht die besseren Menschen", sagt Silke Radosh-Hinder, stellvertretende Superintendentin des Kirchenkreises Berlin Stadtmitte.

Das Syndrom der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" finde sich demnach auch bei evangelischen Christen in Deutschland. Aus Sorge um die Verschlechterung des eigenen sozialen und wirtschaftlichen Status greife der Mechanismus der Ausgrenzung von Minderheiten auch hier. In Kirchenbänken hört man Sätze etwa gegen Langzeitarbeitslose, die nur zu faul seien, oder eben gegen gleichgeschlechtlich Liebende, die das Fundament der Gesellschaft, die Familien missachten würden. Besonders evangelikal orientierte Kreise berufen sich da gerne auf die Bibel, die das Ehe-Verhältnis von Mann und Frau schon im Schöpfungsbericht als Norm setze.

"Wir können die biblischen Texte nicht weglassen, sondern müssen damit umgehen. Aber es ist die Frage, töten wir damit oder schaffen wir damit Leben? Was heißt Hochachtung der Ehe? Jesus ist kein Ehefreund, genau so wenig wie Paulus. Im ersten Schöpfungsbericht steht das hebräische "we" (Übersetzt: und) als Aufzählung (... als Mann und Frau schuf er sie). Man kann es auch als ein Spektrum zwischen Mann und Frau ansehen, in dem sich auch Transsexuelle finden können", sagt die evangelische Theologin Silke Radosh-Hinder.

"Queer theology"

"Queer theology" nennt das Anna Trapp, Vikarin an der Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche in Berlin. Bibel-Texte könnten also auch "queer" gelesen werden. Es gebe ein Ineinandergreifen von Möglichkeiten. Es gebe mehr als nur Männer und Frauen, sondern auch transsexuell Orientierte, die zur Schöpfung Gottes gehörten und somit auch in den biblischen Berichten mit gemeint sind.

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"Das ist aber kaum verständlich zu machen und zu übersetzen. Viele halten mich für einen Vikar an der Kirchentür. Ich schreibe mich Vikar_in!", bekennt die junge Theologin, die ein Um- und Neudenken zu sexuellen Dingen in den Gemeinden verlangt. Der Unterstrich ist seit einiger Zeit der orthografische Versuch, auch das transsexuelle Geschlecht mit zu denken und zu lesen und so den Ausschluss in der Kommunikation zu vermeiden.

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Es sei eben ein Lehr- und Lernprozess, meint Magdalena Möbius, Studienleiterin für Frauenarbeit in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Vorurteile seien erlernbar, aber auch revidierbar. Je mehr sich eine Kirche demonstrativ vor Minderheiten stelle, um so mehr würden Gemeindeglieder deren Haltung auch akzeptieren oder sogar übernehmen. Das sehe man zum Beispiel beim Thema Asyl und Flüchtlingsschutz. Zwar seien auch viele nominelle Christen immer noch latent ausländerfeindlich eingestellt, aber allmählich akzeptierten sie ein Bleiberecht für Migranten, weil Kirchenleitende diese Haltung demonstrativ und medienwirksam verträten. So brauche es eben auch einen langen Diskussions- und Aufklärungsprozess zum Thema Sexualität. Wobei es innerhalb der EKD große Unterschiede gebe. Berlin und Hessen-Nassau etwa gelten als liberal, während Württemberg immer noch einem extrem traditionellem Familienbild verhaftet scheint.

"Bunt wie Gottes Schöpfung, Liebe hat viele Farben"

So ließ die evangelische Jugend in der Berliner Landeskirche ein kleines Aufklärungsheft drucken: "Bunt wie Gottes Schöpfung, Liebe hat viele Farben". Darin schreibt auch der renommierte Alttestamentler Jürgen Ebach. In der Bibel fänden sich keine negativen Aussagen zu homosexuellen Liebesbeziehungen. In den immer wieder von konservativen Christen zitierten Stellen Lev 18,22; 20,13 und Gen 19 gehe es um entwürdigende Sexualität und Vergewaltigung unter Männern. Man brauche nur den Umkehrschluss durchdenken. Bedeute das ein biblisches Verbot gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, so wären biblische Erzählungen von der Vergewaltigung von Frauen ein Argument gegen jegliche heterosexuelle Beziehungen.

Das Info-Material scheint heiß begehrt. Es gab bereits Anfragen etwa vom Kolping-Verband Münster, dem CVJM oder den evangelikal ausgerichteten Gruppen "Entschieden für Christus" (EC). Das Heft sei so gut wie vergriffen und man denke an eine Zweitauflage, berichtet Kevin Jessa, Vorsitzender der EKBO-Jugend. Wichtig sei es eben, gerade auch mit konservativen Christen im Gespräch zu bleiben, aber eben auch Solidarität mit Schwulen, Lesben und Transsexuellen zu zeigen. Daher plant zumindest die evangelischen Jugend die Teilnahme am nächsten Christopher Street Day in Berlin. Ob dann auch der Bischof oder Mitglieder der Kirchenleitung mit auf dem evangelischen CSD-Wagen stehen werden, ist auf diesem Arbeits- und Studientag am Freitag Abend noch nicht zu erfahren.