Kirche mit Kindern: Biblische Geschichten ins Bild gesetzt

Foto: Thomas Volz
Egli-Figuren haben keine Gesichter. Sie sind biegsam und stabil, so dass ihre Körperhaltung Gefühle ausdrücken kann.
Kirche mit Kindern: Biblische Geschichten ins Bild gesetzt
"Bild und Bibel" ist das Motto des nächsten Themenjahres in der Reformationsdekade, das am 31. Oktober 2014 beginnt. Vor allem im Kindergottesdienst werden Bibelgeschichten mit Hilfe von Bildern erzählt. Doch die Medien und Methoden ändern sich rasant.

"Nein, Flanellbilder zur Bibel für den Kindergottesdienst haben wir schon seit Jahren nicht mehr im Programm. Sie werden ja kaum noch eingesetzt", lacht Marit Pichotka vom Born Verlag, wo sich die farbigen Stoffbilder mit dem Klebestreifen auf der Rückseite lange Zeit sehr gut verkauften. Mit den zehn bis 15 Zentimeter großen Bildern ließen sich etwa die Hauptfiguren des Gleichnisses vom verlorenen Sohn auf einer stoffbespannten Tafel anheften und zu Szenen zusammenstellen. So sollten sie auch im Gedächtnis der Kinder besser "haften" bleiben. Doch Kritiker führen an, dass vor allem die aus Amerika stammenden, sehr realistisch gemalten Heile-Welt-Flanellbilder die Vorstellung der Kinder einengen würden.

Nicht mehr der neueste Schrei: Flanellbilder

"Neue Medien wie Dias oder Folienbilder haben die Flanellbilder schon lange verdrängt", berichtet auch Ulrike Schnieder vom Verlag Ernst Kaufmann, dessen Flanellbilder zur Bibel von Reinhard Hermann die Vorstellung ganzer Generationen von Kindergottesdienstkindern geprägt haben dürften. Doch auch wenn die Flanellbilder von damals und sogar die berühmten Bilderbücher und Dias zu biblischen Geschichten von Kees der Kort vielerorts aus der Mode gekommen sind, ist das Bemühen, biblische Geschichten zu veranschaulichen, in der "Kirche mit Kindern" ein wichtiges Anliegen geblieben.

Auf gut erzählte Geschichten, die bei Kindern und Erwachsenen "Kino im Kopf" erzeugen, will Pfarrerin Adelheid Neserke vom Verband für Kindergottesdienst der Westfälischen Landeskirche zwar keinesfalls verzichten. Denn schließlich stammen viele Texte der Bibel aus mündlicher Überlieferung und eine Erzählung kann ein fesselndes Kunstwerk sein, das die Vorstellung beflügelt und Emotionen weckt. Dennoch wird die Visualisierung von Geschichten zunehmend wichtig.

Sprechzeichnen: Raum für innere Bilder lassen

Für Kristi Greier, Theologische Referentin des Kindergottesdienstverbandes in der EKD spielt der Sehsinn eine große Rolle: "Der Mensch ist ein Augenwesen. Was wir hören und sehen, bleibt einfach länger im Gedächtnis". Zugleich sorgt die bildliche Darstellung des Erzählten für Präsenz und Vertiefung. "Bild schlägt Wort", weiß auch Christiane Zimmermann-Fröb, Referentin für Kinderbibelwochen in der Arbeitsstelle Kirche mit Kindern der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Die Emmaus-Geschichte "sprechgezeichnet".

Die Bilder, die eingesetzt werden, sollten aber, so findet sie "im Idealfall Raum lassen, damit eigene innere Bilder entstehen können. Je einfacher und elementaren die Bilder sind, desto besser".

Genau darauf setzt das "Sprechzeichnen", eine von dem Künstler Helmut Uhrig entwickelten erzählbegleitenden Methode, Während erzählt wird, entstehen am Tageslichtschreiber oder an der Flip Chart szenische Bilder aus einfachsten Strichfigurgen. Das sorgt bei Zuhörern und Zuschauern zumeist für gespannte Aufmerksamkeit und nicht selten für atemlose Stille. Die Darstellungen sind aufs Wesentliche reduziert und haben hohen Symbolgehalt. Beim Zeichnen kommt es nicht auf Detailreichtum oder die künstlerische Begabung des Erzählenden an, wohl aber auf eine sehr gründliche Vorbereitung der Erzählung und der "Glyphen", wie Erfinder Uhrig seine Prototypen nennt. Im Anschluss an die Erzählung bieten die entstandenen Bilder dann Gelegenheit, zu einzelnen Aspekten ins Gespräch zu kommen.

Kinder mögen vor allem die Erzählfiguren, die Doris Egli in den 60er Jahren erfand, um ihren eigenen Kindern biblische Geschichten nahezubringen. Heute werden die zwischen 30 und 50 Zentimeter hohen beweglichen Figuren, mit denen sich Stimmungen und Körperhaltungen darstellen lassen, auch in der Erwachsenenbildung, in der Psychotherapie, in der Familientherapie, und in der Senioren- und in der Hospizarbeit eingesetzt.

"Damals in Jerusalem" - Egli-Figuren

Sibille Wahl vom Arbeitskreis Egli-Figuren, bietet seit etlichen Jahre Kurse an, in denen die Teilnehmenden die Erzählfiguren selbst herstellen können. Zugleich können sie üben, die Figuren so "in Szene" zu setzen, dass die die innere Dramatik einer Geschichte deutlich wird. Kinder dürfen mit den biegsamen Figuren aus Sisaldraht, die bewusst keine Gesichter haben, selbst agieren. Denn das Anfassen hilft beim Er-fassen und Be-greifen. Die Kinder dürfen und sollen die Szene verändern, die beim Erzählen entsteht. So können sie Geschichten weiterspinnen und mit den Figuren einen möglichen Fortgang der Geschichte darstellen. Gefühle, die durch die Geschichte wach werden, können die Kinder ausdrücken, indem sie die Körperhaltung oder die Stellung der Figuren in einer Szene umformen.

Klett-Legebilder: mit allen Sinnen lernen

Längst geht es bei der Visualisierung von biblischen Geschichten nicht mehr nur darum, mit Hilfe von Bildern einen "Anker" für die Erinnerung zu schaffen. Natalie Ende, Pfarrerin für Kindergottesdienst in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, hält es für wichtig, dass jedes "Ins-Bild-setzen", einen Raum dafür öffnet, dass Kinder selbst "theologisieren" und ihren eigenen Zugang zu dem Erzählten finden. Dabei gibt es kein Richtig und Falsch.

"Der gute Hirte" nach Kett

Der Reformpädagoge Franz Kett, dem es auch in der Religionspädagogik um einen ganzheitlichen, sinnorientierten Weg von Erziehung und Bildung geht, entwickelte für die Begegnung mit biblischen Geschichten die Arbeit mit Legematerial, bei der die Kinder allein oder mit dem Erzählenden gemeinsam große Bodenbilder zu einer Geschichte gestalten. Verwendet werden können dazu Naturmaterialien, Steine oder Spielzeugfiguren. Kett, dem es wichtig war, dass Kinder mit allen Sinnen lernen, knüpft dabei an ihre Fähigkeit an, jederzeit aus einem Seil eine Schlange, aus einem Karton ein Fahrzeug oder aus einem Korken eine Person zu machen. Beim Visualieren mit Legematerial hat die Spielfreude der Kinder breiten Raum. Ehe sie eine Geschichte gestalten, haben sie Gelegenheit, sich mit den vorhandenen Materialien vertraut zu machen, zu sagen, was sie sehen, fühlen oder riechen. Beim Entstehen des Bildes kommen dann Gespräche, Fragen und Emotionen zur erzählten Geschichte zur Sprache.

"Godly Play": eigene Empfindungen ausdrücken

"Wenn Gefühl und Leidenschaft ins Spiel kommen, dann lernt der Mensch", Das erlebt Pastorin Christiane Zimmermann-Fröb bei der Vermittlung biblischer Geschichten mit dem aus der Sonntagsschule in den USA stammenden Kozept "Godly Play" immer wieder. Die Methode, die sich bewusst "in die Tradition der mündlichen Überlieferung lebensdeutender christlicher Geschichten" stellt, geht davon aus, dass schon Kinder spirituelle Wesen sind, die eine religiöse Sprache brauchen, um ihre Gedanken, Empfindungen und Gedanken auszudrücken und sie mit ihrem Leben zu verknüpfen.

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In einer Phase konzentrierten Zuhörens hören die Kinder im Kreis sitzend zunächst die in möglichst einfacher Sprache erzählte Bibelgeschichte an. Unterstützt wird die Erzählung durch bewusst eingesetzte Gestik und Mimik des Erzählers, der parallel zum Erzählen mit speziellen Holzfiguren auf dem Boden eine Szene entstehen lässt. Im anschließenden "Ergründungsgespräch" sind die Kinder eingeladen, frei ihre Gefühle und Gedanken zu der dargebotenen Geschichte zu äußern. "Was ist dir das Liebste an der Geschichte? Welcher Teil ist dir der Wichtigste? Gibt es einen Teil der Geschichte, der etwas von Euch erzählt?", sind Schlüsselfragen für das Gespräch, in dem jede Äußerung ohne Bewertung stehen gelassen wird. In einer sich anschließenden Phase des "freien Lernraums", die sich an die Montessori-Pädagogik anlehnt, können sich die Kinder kreativ betätigen: Die Geschichte mit dem umfangreichen Material von Godly Play nachspielen, malen, Bilder entdecken – ganz wie sie mögen. Zum Schluss gibt es ein kleines Fest mit Essen und Trinken und zum Abschied einen Segen auf den Weg.

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Für Kristi Greier ist es entscheidend, dass jeder Erzähler eine Methode nutzt, die zur eigenen Person und zur jeweiligen Geschichte passt. Sie freut sich darüber, dass vor allem jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kindergottesdienst kreative Wege finden, um Kinder über die die alten und immer noch aktuellen biblischen Geschichte mit Hilfe von selbstgestalteten iPad oder Power-Point-Präsentationen "ins Bild" zu setzen. Dass es sogar einen Erzähler gibt, der biblische Geschichten mittels Obst und Gemüse darstellt, ist für sie nur ein Beispiel dafür, wie vielfältig und lebendig die Bemühungen sind, Glauben anschaulich und erlebbar zu machen. Nicht nur für Kinder.