Trauern und Trösten: Sterbebegleitung im Pflegeheim

Foto: epd/Werner Krüper
Die Heime werden immer mehr zu Orten des Sterbens.
Trauern und Trösten: Sterbebegleitung im Pflegeheim
Pflegeheime wollen ein Zuhause sein, ein Ort des Lebens, an dem sich die Bewohner wohlfühlen. Doch Tatsache ist: Die Heime werden immer mehr zu Orten des Sterbens. Doch wer soll im hektischen Pflegealltag die zeitintensive Sterbebegleitung leisten?
24.11.2014
epd
Dirk Baas

Die Skepsis gegenüber Pflegeheimen ist groß: 2013 sagte in einer Umfrage des Magazins "Der Spiegel" nur ein Prozent der Befragten, die Heime seien ein idealer Ort fürs Sterben. Darauf müssen die Einrichtungen reagieren, zumal in der Vergangenheit Hospizdienste nicht selten einen Bogen um die Heime machten. Die Caritas in München beschreitet Neuland: In vier ihrer Heime entstehen eigene Hospizgruppen.

"Alle Umfragen zeigen: Für die allermeisten Menschen ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Pflegeheim ihr Sterbeort wird." Gertrud Schwenk, Gerontologin und Sozialpädagogin, sagt das ganz nüchtern. Doch die Fachreferentin Altenhilfe beim Caritasverband München und Freising weiß auch, welche Probleme daraus für die Heime entstehen. Denn viele Menschen kommen erst in sehr hohem Alter - und verweilen nur kurz. Laut Schwenk in den Münchner Caritas-Heimen im Durchschnitt weniger als 23 Monate.

Zeitdruck macht Sterbebegleitung schwierig

Dieser Trend belastet das Personal sehr. Doch damit nicht genug: Immer mehr Demenzkranke müssen betreut und beim Sterben begleitet werden - trotz hohem Zeitdruck und akutem Personalmangel.

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Gerade weil das Heimpersonal sich oft nicht zeitintensiv mit Sterbenden befassen kann, kommt den Hospizhelferinnen eine zentrale Rolle zu. Sofern sie überhaupt in die Heime kommen. Denn, so Schwenk, über Jahrzehnte hätten sich die Freiwilligen vor allem um Sterbende daheim gekümmert: "Doch seit einigen Jahren bewegt sich die Hospizbewegung auf die Heime zu."

Die Ehrenamtler würden meist mit offenen Armen empfangen. "Sie bringen Normalität, Aufmerksamkeit, Beziehungsangebote und Zeit mit. Sie zeigen, dass sterbende Menschen zu unserer Gesellschaft gehören", heißt es in einer Caritas-Broschüre.

Verständnis für die Arbeit der anderen entwickeln

Bundesweit existieren rund 1.500 ambulante Hospizdienste mit rund 80.000 Helfern: "Sie sind Tröstende, Unterstützende, Pflegende und in manchen Fällen sogar Therapeuten. Sie ersetzen, was aufgrund ökonomischer Zwänge vonseiten der Professionellen nicht mehr geleistet wird", urteilt der Schweizer Professor André Fringer vom St. Gallener Institut für angewandte Pflegewissenschaft.

Und doch berichten Fachleute immer wieder von Reibungen zwischen Hospizkräften und Pflegepersonal. Oft prallten zwei Welten aufeinander, vor allem, wenn es an gegenseitigem Verständnis fehlt und die "normale" Pflege samt Vorschriften und Dokumentationspflichten die Sterbebegleitung einschränkt.

Einen neuen Weg, die Hospizbegleitung in ihren Heimen durch eigene Gruppen sicherzustellen, geht die Münchner Caritas gemeinsam mit dem Christopherus-Hospizverein seit 2013. Eine hauptamtliche Koordinatorin kümmert sich um den Einsatz der Freiweilligen in vier am Projekt beteiligten Heimen. Geplant sei, die Initiative auf weitere Einrichtungen in Oberbayern auszudehnen.

Hospizhelfer sollten sich als Teil des Teams begreifen

Wendt zufolge sind Schulung, Einarbeitung und Praxisbegleitung der Freiwilligen gewährleistet. Gemeinsam werde ein klares Rollenprofil entwickelt, das Fachkräften und Sterbebegleitern die Zusammenarbeit erleichtert. Dabei kommen zwei Helfer je Wohnbereich zum Einsatz, deren Einsatzzeiten in der Regel zwischen zwei und vier Stunden pro Woche liegen. "So ist dafür gesorgt, dass die Helfer eine Beziehung zu den Bewohnern aufbauen", sagt Wendt.

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Zur Einarbeitung neuer Freiwilliger gehöre auch, dass sie die Sicht- und Arbeitsweise des Pflegepersonals genau kennenlernen. Später nehmen sie regelmäßig an Fallbesprechungen und an Inhouse-Schulungen teil. "Unser Konzept führt dazu, dass die Hospizhelfer ein Gefühl der Zugehörigkeit entwickeln", urteilt Wendt. Das führe zu mehr Zufriedenheit mit den Einsätzen, die Fluktuation der Helfer sinke.

Auch Sandra Oppikofer, Psychologin und Betriebsökonomin an der Universität Zürich, weiß, dass Konflikte im Team die Motivation der Ehrenamtlichen rasch zerstören können. Deshalb sei es wichtig, "sorgfältig Ort, Zeit und Rahmen für die Lösungssuche auszuwählen". Unverzichtbar seien nicht nur klare Absprachen. Auch auf Rituale der Zusammenarbeit und die Förderung der Teambildung sollte nicht verzichtet werden: "Auch das Lernen in der Praxis und die Reflexion gemachter Erfahrungen müssen einen zentralen Stellenwert in der Begleitung Ehrenamtlicher einnehmen."