Mediziner: "Bürger sind übers Sterben oft schlecht informiert"

Mediziner: "Bürger sind übers Sterben oft schlecht informiert"
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DPG), Lukas Radbruch, wirbt dafür, die Bevölkerung mehr als bisher über die Angebote der Palliativ- und Hospizversorgung aufzuklären.

"Die klinische Praxis zeigt, dass der Wunsch nach Beihilfe zum Suizid in den allermeisten Fällen ausgeräumt werden kann", sagte der Bonner Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Seinen Angaben zufolge lassen sich bei fast allen Schwerstkranken Schmerzen, Atemnot, Übelkeit oder Angst sowie psychosoziale Belastungen weitestgehend lindern.

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Zugleich sagte der Mediziner, dass auch ein weiterer Ausbau der Palliativangebote nicht sämtliche Todkranken erreichen kann: "Es wird auch bei einer optimalen Versorgung immer Menschen geben, für die jede Art von Kontrollverlust inakzeptabel ist und die lieber sterben wollen."

Der Leiter des Zentrums für Palliativmedizin am Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg und der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn betonte aber: "Heutzutage gibt es keine Situation, in der die Palliativmedizin nichts mehr anzubieten hat." Er stelle immer wieder fest, "dass Betroffene zu wenig informiert sind über palliativmedizinische Therapien". Sie hätten Angst und wollen sterben, "weil sie keine Alternative sehen".

Allzu oft werde er in der Praxis auch nicht mit dem Wunsch nach einem assistierten Suizid konfrontiert. "Wir erleben, dass die meisten Menschen den Wunsch haben, ohne körperliche Symptome und ohne Schmerzen zu sterben, in einer vertrauten Umgebung, ob ambulant oder stationär."

Viele Patienten und Angehörige wüssten auch nicht, dass Ärzte eine sogenannte palliative Sedierung einsetzen können, wenn ansonsten keine ausreichende Symptomlinderung erreicht werden kann. Das sei "ein überwachter Einsatz von Medikamenten, um unerträgliches Leid zu lindern. Diese Therapie beschleunigt aber nicht den Eintritt des Todes."

Dem Mediziner zufolge wird diese Sedierung aber nur selten eingesetzt. "An der Universitätsklinik und im Malteser Krankenhaus Bonn kommt es unter 1.000 behandelten Patienten höchstens fünfmal im Jahr vor." Das heiße, "nahezu allen Patienten kann mit anderen palliativmedizinischen Maßnahmen geholfen werden".

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Die rechtlichen Regelungen der Palliativmedizin hält Radbruch für ausreichend. Aber: "Wir fordern eine bessere und engmaschigere Qualitätssicherung in dem Feld." Außerdem sei eine bedarfsdeckende Palliativversorgung bundesweit für Schwerkranke jeden Lebensalters, für alle Zielgruppen und Krankheitsverläufe noch nicht bewältigt. Es fehlten einheitliche Regelungen in allen Bundesländern, und es gebe in den Palliativstationen in Pflegeheimen "weiße Flecken", wo eine Versorgung in der letzten Lebensphase nicht optimal verlaufe.