Kirchen: Auschwitz bleibt offene Wunde

Kirchen: Auschwitz bleibt offene Wunde
Menschenverachtende, fremdenfeindliche und nationalistische Bewegungen dürfen keinen Platz in Europa haben, fordern Spitzenvertreter der evangelischen und katholischen Kirche zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Wie die Ereignisse der vergangenen Wochen gezeigt hätten, seien Antisemitismus immer noch virulent und tödlich.

Anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz rufen die beiden großen Kirchen in Deutschland dazu auf, menschenverachtenden, fremdenfeindlichen und nationalistischen Bewegungen in Europa entgegenzutreten. Die Auseinandersetzung mit Auschwitz sei "bleibend aktuell", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, die am Freitag in Bonn und Hannover veröffentlicht wurde. "Ohne die Achtung vor der Würde und den Rechten jedes Menschen gibt es kein humanes Zusammenleben", mahnen Marx und Bedford-Strohm.

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Die Verbrechen von Auschwitz gehörten zu den fundamentalen Erfahrungen der Menschheit. "In Auschwitz wurde das moralische Band der Solidarität zwischen allem, was Menschenantlitz trägt, nicht nur wie so oft in der Geschichte beschädigt, sondern bewusst durchschnitten und bestimmten Gruppen von Menschen wie den Juden wurde ihr Menschsein abgesprochen", heißt es in dem Kirchenwort zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar. "Auschwitz ist eine offene Wunde am Körper der Menschheit." Dort hätten die Nationalsozialisten die polnische Intelligenz, Roma und Sinti, sowjetische Kriegsgefangene und Angehörige unterschiedlicher Nationen ermordet. Vor allem aber sei es der Ort, an dem die Deutschen die systematische und industriell betriebene Vernichtung der Juden in Gang gesetzt hätten: "Auschwitz wurde weltweit zum Synonym für die Shoah."  

Die schmerzliche Erinnerung und die Auseinandersetzung mit den Folgen von Schuld werfe für Christen die Frage auf, warum die Verbrechen von Auschwitz auf einem Kontinent geschehen seien, der seit mindestens einem Jahrtausend vom Christentum geprägt wurde, schreiben die Spitzenvertreter der evangelischen und katholischen Kirche. In den Kirchen habe das Entsetzen über den Mord an den europäischen Juden und die Rolle des christlichen Antijudaismus dabei zu einer theologischen Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum geführt, heißt es in der Erklärung. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang die Konzilserklärung "Nostra aetate" von 1965 sowie auf evangelischer Seite die Studien "Christen und Juden" und das Bekenntnis evangelischer Landeskirchen zur bleibenden Erwählung Israels.

An die Stelle von Gleichgültigkeit und Ablehnung seien im Verhältnis von Christen und Juden gegenseitiges Verständnis und nicht selten auch Freundschaft getreten. "Wir wiederholen gerade an diesem Tag: Die katholische und die evangelische Kirche treten in ökumenischer Gemeinschaft gegenwärtig und zukünftig entschieden jeder Form von Antijudaismus und Antisemitismus entgegen, die, wie die Ereignisse der vergangenen Wochen zeigten, leider immer noch virulent und im Wortsinn tödlich sind", ergänzen Marx und Bedford-Strohm.

An 27. Januar 1945 war das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden. Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27. Januar festgelegt. Seit 2006 wird der Holocaust-Gedenktag weltweit begangen.