Gauck: "Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz"

Gauck: "Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz"
Solange er lebe, werde er unter den ungeheuerlichen Menschheitsverbrechen leiden, die deutsche Nation trotz ihrer so achtenswerten Kultur begangen habe, sagte Bundespräsident Gauck bei einer Holocaust-Gedenkstunde im Bundestag.

Bundespräsident Joachim Gauck hat davor gewarnt, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu vergessen. Bei einer Gedenkstunde am Dienstag im Bundestag in Berlin sagte das Staatsoberhaupt: "Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz." Die Erinnerung an den Holocaust bleibe eine Sache aller Bürger, die in Deutschland lebten. An der Veranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 70 Jahren und zum Holocaust-Gedenktag nahmen unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesratspräsident Volker Bouffier (beide CDU), die Spitzen der Verfassungsorgane sowie Überlebende teil.

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Gauck unterstrich, in Deutschland trügen alle Verantwortung dafür, welchen Weg das Land gehen werde. "Solange ich lebe, werde ich darunter leiden, dass die deutsche Nation mit ihrer so achtenswerten Kultur zu den ungeheuerlichsten Menschheitsverbrechen fähig war", sagte Gauck. Selbst eine überzeugende Deutung des schrecklichen Kulturbruchs wäre nicht imstande, "mein Herz und meinen Verstand zur Ruhe zu bringen". Aus dem Erinnern ergebe sich ein Auftrag: "Schützt und bewahrt die Menschlichkeit."

Zugleich appellierte das Staatsoberhaupt, sich jeder Art von Ausgrenzung und Gewalt entgegenzustellen und "jenen, die vor Verfolgung, Krieg und Terror zu uns flüchten, eine sichere Heimstatt bieten". Gauck sollte am Nachmittag Deutschland bei einer Gedenkfeier in Auschwitz vertreten. Am Ort des Verbrechens wollten rund 300 Überlebende sowie Staats- und Regierungschefs aus rund 40 Ländern der Opfer des Holocaust gedenken.

Musikalisch umrahmte das Gedenken der Klarinettist Ib Hausmann. Er spielte aus dem Stück "Quatour pour la fin du temps" ("Quartett für das Ende der Zeit") des französischen Komponisten Olivier Messiaen (1908-1992), der 1940 als Kriegsgefangener in einem Lager bei Görlitz interniert wurde. Dort schloss er das Quartett ab, das im Januar 1941 in der Theaterbaracke des Lagers uraufgeführt wurde.

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Der Holocaust-Gedenktag ist seit 1996 gesetzlich verankert. Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee Auschwitz. Dort hatten die Nationalsozialisten rund 1,1 Millionen Menschen ermordet. Insgesamt kamen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern der Nazis rund sechs Millionen Juden ums Leben. Ziel war die Vernichtung des europäischen Judentums. Zu den Verfolgten zählten auch Sinti und Roma, Homosexuelle sowie Oppositionelle.