Richard von Weizsäcker ist tot

dpa/Ronald Wittek
Altbundespräsident Richard von Weizsäcker steht am 26.05.2007 bei seiner Rede während dem Festakt im Hambacher Schloss im Ortsteil Hambach in Neustadt an der Weinstraße vor einer Deutschlandfahne.
Richard von Weizsäcker ist tot
Altbundespräsident stirbt im Alter von 94 Jahren
"Moralische Instanz" und "Mann des offenen Wortes": Dem verstorbenen Ex-Präsidenten Richard von Weizsäcker wird höchster Respekt gezollt. Für den 11. Februar ist ein Trauerstaatsakt geplant.

Trauer um Richard von Weizsäcker: Der Altbundespräsident starb am Samstag im Alter von 94 Jahren. Bundespräsident Joachim Gauck und weitere Spitzenpolitiker sowie Kirchenvertreter würdigten den Verstorbenen. Weizsäcker war von 1984 bis 1994 Staatsoberhaupt, in seine zehnjährige Amtszeit fielen die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung. Viel beachtet war seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985, in der er die deutsche Kapitulation als "Tag der Befreiung" bezeichnete.

Vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten war Weizsäcker Abgeordneter für die CDU im Bundestag und vor allem durch sein Engagement in der evangelischen Kirche sowie Anfang der 80er Jahre als Regierender Bürgermeister von Berlin bundesweit bekanntgeworden. Bundespräsident Joachim Gauck ordnete für den 11. Februar einen Staatsakt zu Ehren des ehemaligen Staatsoberhauptes an.

Gauck nannte Weizsäcker einen "Zeugen des Jahrhunderts". "Für die meisten Menschen war er eine moralische Instanz", schrieb er in einer Kondolenz an die Witwe Marianne. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, Weizsäcker habe Orientierung geben wollen und diesen Anspruch glanzvoll erfüllt: "Über Jahrzehnte hat er seinen hohen Intellekt, seine natürliche Würde, seine große Begabung für die politische Rede in den Dienst unserer Demokratie gestellt." Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) schrieb in einem Kondolenzbrief, Weizsäcker habe in der Zeit der Wiedervereinigung unterschiedliche Befindlichkeiten der Menschen in Ost und West zusammengeführt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: "Richard von Weizsäcker hatte die Gabe und den Intellekt, den Menschen Orientierung zu geben und Deutschland in der Welt würdig zu vertreten." Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schrieb in einem Beitrag für die "Bild am Sonntag", Weizsäcker habe für das Ansehen Deutschlands in der Welt Großes geleistet. Gregor Gysi, Chef der Linksfraktion im Bundestag, würdigte ihn als "Mann der hohen politischen Kultur".

EKD: Weizsäcker trug Impulse des christlichen Glaubens in die Welt

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, stellte Weizsäckers Engagement als protestantischer Christ heraus. "In seiner Person hat die Kirche ausgestrahlt, wovon sie spricht", sagte Bedford-Strohm am Samstag am Rande einer Tagung leitender Geistlicher im sächsischen Meißen. Dem Rat der EKD gehörte Weizsäcker von 1969 bis 1985 an. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nannte ihn einen "Mann des offenen Wortes, der aus der Kraft des Gebets gelebt und gehandelt hat".

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Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), sagte, der verstorbene Altbundespräsident habe die parlamentarische Demokratie in Deutschland über Jahrzehnte maßgeblich geprägt und Deutschlands Ansehen in der Welt gemehrt.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, Weizsäcker habe in vielen Funktionen zum Zusammenhalt der Gesellschaft beigetragen, nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch im Verhältnis zu dessen europäischen Nachbarn. CDU-Generalsekretär Peter Tauber würdigte den Verstorbenen als "Staatsmann ersten Ranges", die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir nannten ihn einen "engagierten Kämpfer für demokratische und freiheitliche Rechte".

Gauck schrieb in seiner Kondolenz, Weizsäcker habe das Amt des Bundespräsidenten auf bleibende Weise geprägt. Bereits als Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Mitglied des Bundestages und Regierender Bürgermeister von Berlin habe er Brücken zu den Nachbarn gebaut. "Er stand für eine Bundesrepublik, die sich ihrer Vergangenheit stellt", schrieb Gauck, der wie andere Spitzenpolitiker besonders Weizsäckers Rede zum 40. Jahrestag der deutschen Kapitulation würdigte. Er habe 1985 unmissverständlich klargestellt: "Der 8. Mai 1945 war ein 'Tag der Befreiung' vom 'menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft'."

"Der erste und bedeutendste Politiker, auf den ich stolz war"

Steinmeier nannte die Rede einen "Meilenstein in der Geschichte Deutschlands". Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister erinnerte sich im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Richard von Weizsäcker war der erste und bedeutendste Politiker, auf den ich stolz war." Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, das Kriegsende als "Tag der Befreiung" zu kategorisieren, habe vor allem der jüdischen Gemeinschaft aus tiefstem Herzen gesprochen: "Damit hat er befreiend für die ganze Gesellschaft gewirkt."

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Richard von Weizsäcker wurde am 15. April 1920 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur studierte er in Oxford und Grenoble und leistete von 1938 bis 1945 Militärdienst. 1954 trat der promovierte Jurist in die CDU ein. Sein politisches Engagement führte ihn nach Tätigkeiten in der Wirtschaft 1969 in den Bundestag, bis er 1981 zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt wurde.

1984 wählte in die Bundesversammlung zum sechsten Bundespräsidenten, nachdem er 1974 noch gegen Walter Scheel unterlegen war. 1989 wurde Weizsäcker wiedergewählt. Seit 1953 war er mit seiner Frau Marianne verheiratet. Aus der Ehe stammen vier Kinder.

1962 trat Weizsäcker dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags bei, dessen Präsident er von 1964 bis 1970 sowie 1979 bis 1981 war. Dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehörte er von 1969 bis 1985 an. Kirchentagsgeneralsekretärin Ellen Ueberschär erklärte in einer ersten Reaktion auf den Tod: "Richard von Weizsäcker hat den Kirchentag zusammengehalten in wichtigen Zeiten und stand exemplarisch für die Verbindung eines aufgeklärten Protestantismus mit politischer Beherztheit."

Kondolenzbücher für Weizsäcker in Berlin und Bonn

Nach dem Tod von Altbundespräsident Richard von Weizsäcker legt das Bundespräsidialamt Kondolenzbücher aus. Bürger können sich in Schloss Bellevue in Berlin ab Samstagnachmittag bis Montagabend dort eintragen, wie das Bundespräsidialamt mitteilte.

In Bonn liegt am Montag ein Kondolenzbuch in der Villa Hammerschmidt aus.

In Berlin liegt das Kondolenzbuch in Schloss Bellevue aus am Samstag von 15.30 bis 18 Uhr, Sonntag von 11 bis 18 Uhr, und Montag von 10 bis 18 Uhr. In Bonn liegt das Kondolenzbuch in der Villa Hammerschmidt aus am Montag von 10 bis 18 Uhr.