Mit Wissen und Demut den Glauben verteidigen

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Mit Wissen und Demut den Glauben verteidigen
Dürfen Christen über andere Religionen urteilen, gar vor ihnen warnen? Was ist noch gesunde Angrenzung, was bereits Diffamierung? Bei einem Streitgespräch in der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin ging es um die Wahl der passenden Worte und gegenseitiges Verstehen.

Apologetik ist die wissenschaftliche Verteidigung oder Rechtfertigung einer Glaubenslehre. Schon lange gehören apologetische Abteilungen zu den festen Arbeitszweigen in christlichen Kirchen und Konsistorien. Heute nennen sie sich Sekten- oder Weltanschauungsbeauftragte und liefern regelmäßig Expertisen über andere Glaubensgemeinschaften und religiöse Splittergruppen. Doch wo bleibt da die Objektivität und Neutralität? Darf man den christlichen Einschätzungen einfach so trauen?

Matthias Pöhlmann jedenfalls, Ansprechpartner für Sekten, Psychogruppen, Neureligionen und Weltanschauungen bei der Bayrischen Landeskirche, sieht seine Aufgabe nicht als überholt an. "Der Begriff Apologetik ist aus der Mode gekommen, die Sache aber nicht. Es geht darum, unterscheidungsfähig zu bleiben und in Zeiten der Pluralität ein eigenes Profil zu entwickeln und Unterschiede zu benennen", sagte der evangelische Theologe bei dem Streitgespräch in Berlin.

"Vom Konsens abzuweichen ist weder gut noch schlecht"

Einerseits könne sich im Internetzeitalter via Webrecherche jeder rund um die Uhr über den Glauben in all seinen Facetten kundig machen. Andererseits werde die Szene der Sinnangebote immer unübersichtlicher. Da brauche es professionelle theologische Hilfe. "Wir sehen immer mehr Kleinstgruppen und Wohnzimmergurus. Die Konfessionslosen haben mit dem Anspruch Verbände gebildet, alle Konfessionslosen zu vertreten. Es gibt die eher unorganisierten Formen der Esoterik-Szene. Ungebrochen bleibt die Sehnsucht nach spirituellen Meistern und Lehrerinnen, die den wahren Weg zeigen", erklärte Pöhlmann.

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Warnungen davor fallen nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Ralf Grünke allerdings manchmal überzogen aus. Da werde von kirchlicher Seite aus oft zu hämisch und abschätzig geurteilt. Grünke ist Pressesprecher in der Europa-Zentrale der Mormonen, also der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage, in Frankfurt am Main. Er meinte, dass die große evangelische Kirche nicht immer fair mit kleineren Religionsgemeinschaften wie seiner eigenen umgehe. "Vom Konsens oder den althergebrachten Lehrtraditionen abzuweichen ist weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes. Es muss sich im Alltag bewähren, ob das der Gesellschaft gut tut und den Menschen, die sich dem verschreiben", sagte Grünke.

Genau das aber sei ein wichtiger Punkt der kirchlichen Beratungstätigkeit. Bei immer mehr Menschen fehle eine Orientierung, wie man mit religiösen Phänomenen und Strömungen überhaupt umgehen soll und welcher Gruppe sie vertrauen können, sagte der evangelische Sektenbeauftragte Matthias Pöhlmann. Oft würden besorgte Eltern bei ihm anrufen, wenn ihre Kinder in einer dubiosen Gruppe zu versinken drohten.

Buddhistin: Christen fehlt Verständnis für Fernost-Religionen

Christliche Theologen geben also Auskunft über andere Religionen. Das mag im Bereich monotheistischer Weltbilder noch sinnvoll sein. Aber können Kirchenleute auch über fernöstliche Religionen urteilen? Susanne Matsudo-Kiliani, Beauftragte der Deutschen Buddhistischen Union für den interreligiösen Dialog, hat da so ihre Zweifel. Sie hält die christliche Religionskritik nicht immer für angemessen, da ihr oft ein Verständnis für fremde Kulturen fehle.

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Matsudo-Kiliani nannte als Beispil den Begriff "Meister" und dessen Verhältnis zum Schüler: "Für die einen wird damit ein personifizierter Erleuchtungsgrad ausgedrückt. Für andere ist ein Meister lediglich ein Dharma-Lehrer, einer, der das buddhistische Gesetz vermittelt. Und bei uns im Nichiren-Sangha ist der Dharma der Meister." Es würde zur interkulturellen Kompetenz gehören, zwischen Person und Gesetz zu differenzieren, fand die Buddhistin. Daher sollten ihrer ansicht nach auch Buddhologen, Indologen oder Religionswissenschaftler in kirchlichen Beratungsstellen mitarbeiten, um ein angemesseneres Bild fremder Glaubenswelten gewinnen zu können.

Bei allen Verbesserungsvorschlägen hält der evangelische Theologe Ulrich Körtner, Vorsitzender des Kuratoriums der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), die kirchliche Apologetik an sich für unaufgebbar. Eine Aufgabe sei es eben auch, das interreligiöse Miteinander durch mehr Informationen zu verbessern. "Es geht darum, dass zum Beispiel Kirchen mit Moscheegemeinden im Sinne nachbarschaftlicher Stadtteilarbeit kooperieren, dass eventuell unberechtigte Vorurteile abgebaut werden können", erklärte Körtner.

Offener und dialogbereiter als noch in den Siebzigern

Doch längst nicht mit jeder muslimischen Richtung ist ein gutes Miteinander oder zumindest ein kritischer Dialog möglich. Friedmann Eißler, Islamexperte bei der EZW in Berlin, sieht sich mitunter auch persönlichen Angriffen ausgesetzt. "Das ist ein Muster. Wenn Sachfragen im Raum stehen, wird von muslimischer Seite manchmal gesagt, der ist ja kein muslimischer Gelehrter, der hat die Islamkunde nicht da studiert, wo man es eigentlich studieren muss. Der hat den Koran zwar auf arabisch gelesen, aber nicht verstanden." Immer besteht auch die Möglichkeit, dass gegen die Expertisen und Gutachten der kirchlichen Weltanschauungsbeauftragten geklagt wird.

Die christliche Apologetik ist im Wandel. Wurde in den 1970er Jahren noch laut vor so genannten Jugendsekten gewarnt und hoher Wert auf Abgrenzung gelegt, so sei man heute wesentlich offener und dialogbereiter, meinte der evangelische Theologe Ulrich Körtner: "Da ist inzwischen mehr Gelassenheit eingetreten und man hat gelernt, mit und in einer größeren Buntheit der religiösen Landschaft zu leben. Apologetik muss mit einer größeren Form von Demut betrieben werden als es in der Vergangenheit der Fall war."