Der Sturmkönig: Titanic-Kapitän Edward John Smith

Edward John Smith. Foto: wikipedia
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Der unerschrockene Kapitän der Titanic: Edward John Smith.
Der Sturmkönig: Titanic-Kapitän Edward John Smith
"Now it`s every man for himself", ab jetzt ist jeder für sich selbst verantwortlich: Es ist der letzte Befehl an seine Crew, der von Edward John Smith überliefert wurde, dem Kapitän der Titanic. Die Fahrt sollte die Krönung seiner Laufbahn werden.
14.04.2012
epd
Ulrike Krickau

Die Funker waren die letzten, die den Kapitän der Titanic sahen. Edward John Smith dankte ihnen für ihren Einsatz und entband sie von ihren Dienstpflichten. Es ist kurz nach zwei Uhr in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912, das Wasser steht nur noch rund drei Meter unter dem Promenadendeck. Der 62-Jährige verlässt den Funkraum aufrecht, noch immer kaum gebeugt. Danach verliert sich seine Spur.

Es hätte der Höhepunkt einer bemerkenswerten Karriere werden sollen, als der "Kapitän der Millionäre" vor 100 Jahren, am 10. April 1912, mit der RMS Titanic in See stach. Die Jungfernfahrt des seinerzeit größten und luxuriösesten Schiffes der Welt war ein gesellschaftliches Ereignis von Rang, fünf der reichsten Männer sollten mit der Titanic untergehen.

Schneid, Eleganz und britisches Unterstatement

Kapitän Edward John Smith war der älteste und renommierteste Kapitän der White Star Line. Wer auf sich hielt, konnte von einigen Atlantiküberquerungen mit ihm berichten. Dabei war Smith in ärmlichen Verhältnissen am 27. Januar 1850 im britischen Hanley zur Welt gekommen. Sein Vater arbeitete in einer Keramikfabrik, spät hatte er geheiratet, eine Witwe aus der Nachbarschaft. Ihre Heiratsurkunde hatte sie mit einem Handabdruck signiert, wie es damals für Analphabeten üblich war.

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Buchhinweis: G. J. Cooper : "Titanic Captain - The Life of Edward John Smith" , 2011, The History Press. 23,99 Euro.
Website über Captain John Smith (englisch)

Mit 17 Jahren folgte Smith seinem Halbbruder Joseph zur Handelsmarine, seine erste Fahrt als Schiffsjunge führte ihn nach Hong Kong. Smith war ehrgeizig, nach der kürzestmöglichen Zeit legte er seine Prüfungen für eine Offizierslaufbahn ab. Am 26. Mai 1875 erhielt er sein Kapitänspatent, mit 25 Jahren.

Doch viele Offiziere der Handelsmarine bekamen trotz ihres Kapitänspatents niemals ein eigenes Kommando. Warum es ausgerechnet Smith gelang, seinen Weg zu machen, wird nicht mehr aufzuklären sein. Vielleicht war es die ihm eigene Mischung aus Schneid, Eleganz und britischem Unterstatement? Die Offiziere seiner Atlantiküberquerungen berichteten immer wieder stolz davon, wie er in voller Fahrt die schwierigen Gewässer des New Yorker Hafens durchquerte - während alle anderen Schiffe langsam durch die Untiefen manövrierten. Für sie war er der "Sturmkönig", der sich auch von schwerem Wetter nicht beeindrucken ließ.

"Mein Herz ist voller Kummer für Sie alle"

1886 heuerte Edward John Smith bei der White Star Line an und wechselte damit zur Passagierschifffahrt. Ein Jahr später heiratete er Sarah Eleanor Pennington, sie lebten zunächst in Hampshire und später in Southampton. 1898 wurde die einzige Tochter Helen Melville geboren.

Nach dem Unglück war es Eleanor Smith, die den ersten Gedenkgottesdienst für die Toten der Titanic abhalten ließ: "Mein Herz ist voller Kummer für Sie alle und beladen mit der Sorge, dass Sie niedergerungen werden von dem fürchterlichen Unheil, das uns getroffen hat."

Die Menschen, die von den Stewards der Titanic in der Nacht vom 14. auf den 15. April geweckt wurden, ahnten nicht, was ihnen bevorstand. Ein leichtes Zittern war durch die Titanic gegangen, als sie am Sonntag um 23.40 Uhr den Eisberg gerammt hatte. Deswegen sollten sie aufstehen und mit ihren Schwimmwesten in die eiskalte Nacht hinausgehen? Sich über 20 Meter tief in die dunkle See an Bord eines schwankenden Rettungsbootes abseilen lassen?

"Frauen und Kinder zuerst"

Smith will eine Panik vermeiden, ordnet darum nicht die Evakuierung des Schiffes an, sondern lässt die Passagiere darüber informieren, dass sie sich auf Deck einzufinden haben und als Vorsichtsmaßnahme in den Rettungsbooten platziert werden. Dabei gilt, "Frauen und Kinder zuerst". Bei anderen Schiffsunglücken waren es gerade die Frauen und Kinder, die der körperlichen Überlegenheit der Männer nichts entgegenzusetzen und kaum eine Chance hatten zu überleben.

Die Rettungsboote reichen nicht für alle, und selbst die vorhandenen werden mit noch freien Plätzen zu Wasser gelassen. Offenbar hatte Smith die Hoffnung, sie könnten nach dem Untergang der Titanic die im Wasser Treibenden aufnehmen.

Es war eine Hoffnung, die trog. Nur eines der 20 Rettungsboote kehrte zurück. Um nicht von den verzweifelten Menschen zum Kentern gebracht zu werden, wartete die Besatzung, bis die Schreie verklangen. Zwischen den Erfrorenen konnten sie nur noch drei Personen retten. Von den 2.227 Menschen an Bord überlebten 705 Menschen, 1.522 galten als vermisst.

Handelte Smith auf Anweisung des Reeders J. Bruce Ismay?

Viel wurde darüber spekuliert, wer die Verantwortung hatte am Untergang der Titanic. Ungeklärt blieb, welche Schuld Kapitän Edward John Smith traf. Das blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung war nicht sein Ziel, die Schiffe der White Star Line überzeugten mit ihrem Luxus und nicht mit der Schnelligkeit. Aber warum fuhr er dann nicht langsamer durch die Eisfelder? Handelte er auf Anweisung des Reeders J. Bruce Ismay?

Ismay überlebte den Untergang der Titanic. Aber seinen bis dahin untadeligen Ruf konnte er nicht retten, bis heute gilt er als einer der Hauptschuldigen am Untergang der Titanic. Edward John Smith blieb an Bord und ging mit seinem Schiff unter. Seine Leiche wurde nie gefunden.