Rettungsprogramm für den Euro

Gedeckter Platz mit Euroscheinen und Geschenkpäckchen auf Teller
Foto: istockphoto/alvarez
Die Eurorettung - ein Problem von Überfluss und Mangel?
Rettungsprogramm für den Euro
Es gibt eine einfache Lösung - sie muss nur gewollt sein.
Im Schwerpunkt "Die Eurokrise und wir" beleuchten wir unterschiedliche Ursachen, Folgen und Teilaspekte der momentanen Wirtschafts- und Finanzkrise und mögliche Wege aus ihr. Der einfachste Weg aber wird immer noch tabuisiert, behauptet der Ökonom Christian Felber in seinem Gastbeitrag.

###mehr-artikel### Mit den derzeitigen Maßnahmen retten die Regierungen den Euro zu Tode – und vielleicht auch die EU. Dabei gäbe es eine einfache und schmerzfreie Möglichkeit, den Euro zu retten, doch diese Option wird von den Regierungen tabuisiert. Grundsätzlich gibt es vier Rettungsstrategien für den Euro:

1. Die Übernahme der Schulden der einen Mitgliedstaaten durch andere via Rettungsschirme (ESF, EFSF, ESM) – diese Strategie führt früher oder später in die Gesamtinsolvenz der Eurozone, weil die zu Rettenden mehr und größer werden, und die Retter immer weniger und schwächer. In der begonnenen Rezession werden die Staatsschulden aller kräftig weiter wachsen. Würde Spanien ein in Relation zu seiner Wirtschaftsleistung gleich großes Rettungspaket in Anspruch nehmen wie Griechenland, Irland oder Portugal, würde dies 800 Milliarden Euro erfordern – die Rettungsschirme würden reißen.

Schuldenstreichung führt zur Gesamtinsolvenz Europas

2. Die Streichung der Schulden wäre an sich die gerechteste Lösung: An einer Überschuldungssituation sind immer zwei Parteien beteiligt: eine Partei hat zu viele Kredite aufgenommen, die andere zu viele Kredite vergeben. In der Privatwirtschaft ist die Insolvenz ein alltägliches und gesetzlich geregeltes Verfahren. Obwohl auch Staaten in der Geschichte immer wieder in die Insolvenz gegangen sind, gibt es für sie kein völkerrechtlich geregeltes Insolvenzverfahren. In diesem müssten Gläubiger- und Schuldnerinteressen gleichermaßen berücksichtigt und fair ausgeglichen werden. Sparmaßnahmen, welche Teile der Bevölkerung in die Arbeits- und Obdachlosigkeit treiben, wie gegenwärtig in Griechenland, Portugal und Spanien, wären in einem geregelten Insolvenzverfahren undenkbar. Das Aufspielen der Gläubiger zu Richtern wäre ein Bruch rechtsstaatlicher Prinzipien, wenn es sie gäbe. Das Dilemma eines größeren Schuldenschnittes: Dieser würde die systemrelevanten Banken tödlich treffen – sie müssten von den Rettungsschirmen aufgefangen werden, was diese gleichermaßen überfordern würde wie das direkte Retten von Staaten. Die Schuldenstreichung führt somit zum gleichen Ergebnis wie Alternative 1: Gesamtinsolvenz der Eurozone.

3. Die Inflationierung der Schulden, welche viele bereits am Horizont heraufdämmern sehen, ist ein ebenso riskanter und nicht empfehlenswerter Ausweg, der jedoch mit dem Scheitern von Strategie eins und zwei wahrscheinlicher wird. Befürchtet wird, dass die Umsetzung der Ankündigung der EZB, Staatsanleihen unbegrenzt zu kaufen, die Geldmenge ausweitet und zu Inflation führt. Manche prominente Ökonomen wie Kenneth Rogoff empfehlen ganz offen eine Zielinflation von fünf bis zehn Prozent über einen Zeitraum von zum Beispiel zehn Jahren. Falls dieses Manöver glingen sollte, wäre der Mindestkollateralschaden die Entwertung aller Finanzvermögen im gleichen Ausmaß, in dem die Schulden entwertet werden. Im Klartext: eine Enteignung aller Finanzvermögen um 50 Prozent. Noch schlimmer könnte es kommen, wenn die Inflation außer Kontrolle gerät ("Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet“). Danach sieht es im Moment allerdings nicht aus, weil es dafür eines Anstiegs der privaten oder öffentlichen Nachfrage bedürfte. Wahrscheinlicher droht gegenwärtig infolge vereinten öffentlichen und privaten Sparens Deflation.

Die Lösung heißt Schuldentilgung

4. Die vierte und letzte Option, die Tilgung der Schulden über EU-weit koordinierte Steuern, brächte die Lösung, sie wird aber tabuisiert. Der weitgehend unbekannt (gehalten)e Knackpunkt ist, dass die privaten Finanz- und Immobilienvermögen in der Eurozone ungefähr das Fünffache der Staatsschulden betragen. Konkret sind es in Italien 424%, in Deutschland 475% und in Österreich 675%. Eine einprozentige Besteuerung der privaten Vermögen könnte die Staatsschulden um runde fünf Prozent reduzieren – in einem Jahr. In zehn Jahren wären die Staatsschulden halbiert. Der Clou: 90% der Bevölkerung könnten von der Steuer ausgenommen bleiben, weil sie nichts oder fast nichts besitzen. Es würde ausreichen, jene zehn Prozent zur Besteuerung heranzuziehen, die rund zwei Drittel des Gesamtvermögens besitzen. Ihnen ist eine moderate Vermögenssteuer zuzumuten.

###mehr-info### Bis die Vermögenssteuern „greifen“, dauert es allerdings ein bis zwei Jahre, dann könnte es zu spät sein für den Euro. Es müsste daher mit einer sofort wirksamen Maßnahme Zeit gewonnen werden: Die Europäische Zentralbank könnte zu diesem Zweck die Staatsanleihen derjenigen EU-Staaten garantieren, die sich an der koordinierten Besteuerung und Schuldentilgung beteiligen. Dadurch würde das Rating der garantierten Anleihen sofort auf AAA springen und die Zinsen gegen null sinken – Luft und Zeit für den schrittweisen Abbau der Schulden.

Diese vierte Lösung würde endlich die Krisenverursacher und -profiteure in die Verantwortung nehmen – und ihnen auch noch nützen! Denn die Alternativen zu einer moderaten Besteuerung der Vermögenden sind  allesamt schlimmer: Bankenkrach, Staatsinsolvenzen, Hyperinflation, Währungsreform oder gar Bürgerkrieg, dessen erste Anzeichen in Athen und Madrid schon zu beobachten sind.