Auszeichnung für "Bild" provoziert Eklat bei Nannen-Preis

dpa/Daniel Reinhardt
Umringt von Fotografen: Die Preisträger des Henri-Nannen-Preises am Freitagabend in Hamburg.
Auszeichnung für "Bild" provoziert Eklat bei Nannen-Preis
"Bild" macht wieder Schlagzeilen: Weil zwei Journalisten des Boulevardblattes für ihre Wulff-Recherche mit dem Henri-Nannen-Preis geehrt wurden, lehnten die Preisträger von der "Süddeutschen Zeitung" die Auszeichnung ab.
12.05.2012
epd
Thomas Morell

Nach einem Eklat bei der Verleihung des Henri-Nannen-Preises steht "Bild" wieder einmal in den Schlagzeilen auf den Medienseiten. Weil Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch für ihre Recherchen zur Kreditaffäre von Ex-Bundespräsident Christian Wulff am Freitagabend im Hamburg mit dem renommierten Journalistenpreis ausgezeichnet wurden, gaben die Co-Preisträger der "Süddeutschen Zeitung" ihre Auszeichnung wieder zurück. Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter sollten für die Aufdeckung der Korruptionsaffäre bei der Bayern LB geehrt werden.

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Schon die Nominierung von "Bild" in der Kategorie "Beste investigative Leistung" hatte für Diskussionen gesorgt. Die österreichische Fernsehjournalistin Antonia Rados wusste augenscheinlich um die Spannung, als sie im ehrwürdigen Hamburger Schauspielhaus bekanntgab, dass sich die Jury nicht hatte entscheiden können. "Bild" und "Süddeutsche" sollten den Preis zu gleichen Teilen erhalten.

Leyendecker: "Kulturbruch"

Während die "Bild"-Journalisten die Auszeichnung stolz entgegennahmen, wirkte Hans Leyendecker von der "Süddeutschen" zunächst eher ein wenig verlegen. Er und seine beiden Kollegen wollten den Preis nicht gemeinsam mit "Bild" annehmen, sagte er. Dem prominenten Boulevard-Blatt Qualitätsjournalismus zu bescheinigen, nannte er ein "Stückchen einen Kulturbruch". Diese Ablehnung, fügte Leyendecker hinzu, richte sich jedoch nicht gegen die "Bild"-Kollegen persönlich. Die "Bild"-Zeitung habe eine solche Aufwertung nicht verdient, weil sie Menschen bedränge und verfolge, sagte er später dem NDR.

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Jury-Mitglied und Ex-"Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort hatte dagegen keine Bedenken gegen die Auszeichnung. Maßstab der Entscheidung sei allein die Recherche-Leistung der beiden "Bild"-Redakteure und die gesellschaftliche Wirkung ihrer Geschichte. Eine journalistische Leistung werde nicht daran gemessen, in welchem Medium sie erschienen ist. Gleichwohl räumte er ein, dass die Jury-Mitglieder lange beraten hätten. Nach einem dreimaligen Abstimmungspatt habe man sich entschieden, beide Beiträge zu ehren. Die Reaktion Leyendeckers kritisierte er nach der Gala als "oberpeinlich".

Wieder einmal wird der Henri-Nannen-Preis eine breite medienpolitische Debatte auslösen. Im vorigen Jahr ging es um die Frage, ob eine Reportage über Horst Seehofers Eisenbahn auch dann preiswürdig ist, wenn der Autor sie selbst gar nicht gesehen hat. "Spiegel"-Autor René Pfister musste seinen Preis wieder abgeben, weil er Details seiner Darstellung lediglich aus Erzählungen entnommen hatte.

Weitere Preise für Geschichten aus Japan und Afrika

In diesem Jahr wird es um die Frage gehen, ob ein Boulevard-Blatt, das berüchtigt ist für politische Kampagnen, die Bloßstellung von Opfern und das hemmungslose Ausspähen von Privatsphären, auch anerkennenswerten Qualitätsjournalismus hervorbringt. Als einer der ersten meldete sich der Leipziger Medienwissenschaftler Michael Haller kritisch zu Wort. "Bild" habe gezielt Informationen zurückgehalten, um der Berichterstattung über Christian Wulff eine Dramaturgie zu geben und eine erhöhte Aufmerksamkeit zu bekommen, sagte Haller im Deutschlandradio Kultur. Um Aufklärung sei es dem Blatt dabei weniger gegangen. Zum Teil habe die "Bild"-Zeitung als "Trittbrettfahrer" von der Recherche anderer Medien profitiert, zum Teil als "Demontierer von Prominenz" agiert.

Wer die Sucht der Medien nach Skandalisierung und ihre ständigen Erregungsstöße beklagt, wird bei der Suche nach weniger Aufgeregtheit indes auch beim Henri-Nannen-Preis fündig. Geehrt wurde unter anderem Stefan Willeke von der "Zeit" für seine Reportage über eine Japan-Reise des RWE-Konzernchefs Jürgen Großmann nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima. Der Fotograf Kai Löffelbein zeigt in "Unser Müll in Afrika" ("stern.de"), unter welch unwürdigen Bedingungen afrikanische Kinder Elektroschrott aus Europa zerlegen. Einen "Henri" erhielt auch Niklas Maak von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" für seinen Essay über die Einfallslosigkeit der modernen Architektur und die zunehmende Verödung der Städte.