Heilsarmee-Generalin: Europäer haben das Beten verlernt

Heilsarmee-Generalin: Europäer haben das Beten verlernt
Viele Europäer haben nach Ansicht der Heilsarmee-Generalin Linda Bond (66) das Beten verlernt.
26.05.2013
epd
Barbara Driessen

"Europa ist ein Ort des Überflusses. Wo die Menschen dagegen arm sind, vertrauen sie auf Gott. Menschen lernen zu beten, wenn sie nicht wissen, wie sie den Tag überleben sollen", sagte Bond dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Siegen, wo am Sonntag ein zweitägiger Kongress der Heilsarmee in Deutschland zu Ende ging. In Afrika, Indien oder auf den Philippinen verzeichne die Heilsarmee die höchsten Zuwachsraten.

Deutschland und andere westliche Staaten seien dagegen stark materialistisch geprägt. Viele Menschen glaubten dort, Gott nicht mehr nötig zu haben. "Alles ist auf einem technologisch so hohen Niveau, dass man glaubt, alles erreichen zu können." Das aber sei ein verhängnisvoller Irrtum. Im 21. Jahrhundert sei die Arbeit der Heilsarmee nötiger denn je: "Wir sind noch weit davon entfernt, die schlimmsten Probleme der Menschheit zu lösen", sagte die ranghöchste Soldatin der Heilsarmee, die sich erstmals in Deutschland aufhält. 

Christlicher Glauben praxisnah

Nie zuvor habe es weltweit so viele Menschen gegeben, die in sklavenähnlichen Verhältnissen leben müssten. Nie zuvor habe es so viel Prostitution und Menschhandel, Drogen und Suchtkrankheiten gegeben. Dennoch bleibe sie optimistisch, dass man deutliche Verbesserungen erreichen könne. "Ich sehe uns als die Armee des 21. Jahrhunderts, die sich um die Menschen kümmert, die am Rande der Gesellschaft leben, die verzweifelt sind und sich völlig allein glauben", sagt die gebürtige Kanadierin, die als Kind selbst Armut erlebte.

In Deutschland und anderen europäischen Ländern erfährt die Heilsarmee nach Bonds Worten gerade eine Art Frühling: Man sei dabei, junge Leute auszubilden. Dennoch sei die Bewegung in Deutschland noch klein: Etwa 1.300 Mitglieder hat die Freikirche in der Bundesrepublik. "Aber auch wenn wir zahlenmäßig nicht viele sein mögen, so scheint es immer viel mehr von uns zu geben. Die Wirkung unserer Arbeit ist viel größer als unsere tatsächliche Mitgliederzahl." 

Der christlichen Ökumene steht Bond nach eigenem Bekunden offen gegenüber. Die Heilsarmee sei Mitglied im Weltkirchenrat und habe ein gutes Verhältnis sowohl zu den beiden großen Kirchen wie auch zu evangelikalen Kirchen. Gerade erst habe sie sich mit dem neuen Papst Franziskus getroffen. "Die Kirchen möchten, dass wir unsere Rolle wahrnehmen", sagte sie. "Wir praktizieren den christlichen Glauben auf eine sehr praxisnahe Weise, ohne Unterschiede zu machen. Und wir sind dem Evangelium immer treu geblieben. Dafür werden wir respektiert."