Bettina Wulffs Sicht der Dinge. Eine Stilkritik

Foto: dpa/Stephanie Pilick
Bettina Wulff sieht glücklich aus, auch wenn ihr starker Wind entgegen kommt.
Bettina Wulffs Sicht der Dinge. Eine Stilkritik
"Jenseits des Protokolls" heißt die Biografie der Altbundespräsidentengattin nun also und nicht "Meine Sicht der Dinge", wie der Verlag ursprünglich angekündigt hatte. In der Buchhandlung, in der das Buch schon am vergangenen Samstag (vier Tage vor dem zuletzt angekündigten Erstverkaufstag) zu kaufen war, wurde es auf der Quittung noch mit dem alten Titel verbucht.

14.09.2012
epd
Diemut Roether

Bettina Wulff hat sich mit diesem Buch viel vorgenommen: "Es ist mir nicht egal, was Menschen über mich denken, beziehungsweise dass in ihren Köpfen möglicherweise ein Bild über meine Person herumspukt, welches mir absolut fremd ist", schreibt sie. "Ich weiß, dass es mitunter lange dauern wird, diese Meinung, die manche Menschen über mich haben, vielleicht doch ein Stück weit zu revidieren. Aber genau das wäre mir wichtig. Ich möchte, dass die Menschen mich so sehen, wie ich bin: als eine ziemliche normale Frau und Mutter, die ihr Leben so leben möchte, wie sie es will, und nicht, wie andere es von ihr erwarten. (...) So einfach ist das eigentlich..."

Cover des Buch der Ex-Präsidentengattin Bettina Wulff "Jenseits des Protokolls". Foto: Riva Verlag.

So einfach ist es aber leider nicht. Es ist eine Illusion zu glauben, dass sie als Frau, die - wie sie selbst schreibt - "im öffentlichen Interesse der Medien" steht, das Bild, das sich andere von ihr machen, beherrschen könnte. Und als erfahrene PR-Frau müsste sie das eigentlich wissen. Es ist ihr gutes Recht, gegen Gerüchte über ihr Vorleben vorzugehen, die sie in ihrem Buch als "absoluten Quatsch" bezeichnet, doch ob sie sich mit der Veröffentlichung dieses Buchs wirklich einen Gefallen getan hat, ist fraglich.

Die Wut von Bettina Wulff über die Männerfantasien, die über sie im Internet kursieren, ist nachvollziehbar. Aber wer gehofft hatte, dass sie in ihrem Buch benennt, in was für einem Milieu solche Gerüchte besonders gut gedeihen, nämlich in einem sehr konservativen, frauenfeindlichen Milieu, sieht sich getäuscht. Analyse ist nicht die Stärke der PR-Frau. Auch das Kapitel über "Die Medien" bringt, abgesehen davon, dass sie sich als überzeugte "Bild"-Leserin outet, wenig neue Erkenntnisse.

Platte Befindlichkeitsprosa und verstolperte Sätze

Bettina Wulff - das stellt sich bei der Lektüre ihres Buches heraus - ist eine erstaunlich unbedarfte Person. Deutlich wird das etwa in den Passagen, in denen sie über das Au-pair-Mädchen der Bundespräsidentenfamilie schreibt, das offenbar nicht so gut funktionierte wie sie es sich erhofft hatte. Dass die Frau des einstigen ersten Mannes im Staate nicht weiß, dass ein Au-pair-Mädchen - auch wenn es aus Südamerika kommt - keine Hausangestellte ist, nimmt Wunder. Und auch an anderer Stelle würde man sich mehr Sensibilität wünschen: Die Gattin eines ehemaligen Ministerpräsidenten sollte wissen, dass es sehr wohl etwas anderes ist, ob sie "bei Freundin Stephanie in Herford auf dem Sofa übernachtet", oder ob sie und ihr Mann in der Villa von Carsten Maschmeyer auf Mallorca den Urlaub verbringen.

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Sympathisch wird einem Bettina Wulff durch dieses Buch nicht. Was immer man vorher über sie gedacht haben mag - ihre endlosen Lamentos darüber, wie anstrengend das Leben als Bundespräsidentengattin ist ("Ich war körperlich am Ende, einfach matt und ausgelaugt. Meine Gesichtshaut schlug bereits Alarm, war trockener, brannte und war ständig gerötet"), sind platte Befindlichkeitsprosa. Millionen Berufstätige könnten ähnliche Sätze über ihren Alltag schreiben, aber von denen will sie auch keiner lesen.

Ärgerlich ist auch, dass weder Bettina Wulff noch der Verlag offenbar Zeit und Geld investieren wollten, um das Buch in eine ansprechende Form zu bringen. Es strotzt von verstolperten Sätzen wie "ebenso wenig werde ich mich als Lügnerin oder Verbrecherin darstellen lassen, wie es in der Berichterstattung der meisten Medien teilweise geschah"; es langweilt mit Banalitäten wie "der Alltag als Bundespräsident holte Christian rasch ein" und irritiert mit pseudomoderner Sprache ("musste ich erst einmal meine Auswahl im Kleiderschrank kräftig pimpen und shoppte daher in Hannovers Innenstadt"). Man fragt sich, wofür die Koautorin Nicole Maibaum bezahlt wurde. Von einer ehemaligen First Lady hätte man sich vor allem eines gewünscht: mehr Stil.