Pastor auf Bestellung

Rent a Pastor
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Pastor Samuel Diekmann vermittelt mit seiner Agentur Pfarrer.
Pastor auf Bestellung
Ein weißes Prinzessinen-Kleid mit Schleier und Spitzen-Schleppe. Der große Auftritt, eine festliche Location, Musik, die das Schluchzen überspielt. Und ein Pastor, im festlichen Gewand, der schlaue, tiefsinnige Dinge sagt. Für viele ist das die Traumvorstellung einer Hochzeit. Doch woher den Pastor nehmen, wenn man gar nicht Kirchenmitglied ist?
18.06.2013
evangelisch.de

Samuel Diekmann hat die Lösung. Sie heißt "Rent A Pastor" und ist eine Agentur für freie Redner, buchbar für Trauungen und Beerdigungen. Allesamt Männer mit religiösen Hintergrund, die Mehrzahl ausgebildete Theologen. Diekmann, selbst Pastor in einer freien evangelischen Gemeinde, wurde oft gebeten, eine Trauung durchzuführen. Er erkannte die Marktlücke und gründete die Agentur zum Mieten von Pfarrern. Hier können auch Menschen, die nicht Kirchenmitglied sind, einen Pastor buchen. Wie nahe das Paar einer Kirche oder dem christichen Glauben steht, ist für Diekmann nicht wichtig.

"Jede Generation braucht ihre Reformation"

Doch als bloße Stafette in Talar, als Alibi-Zeuge für Gottes Segen gibt sich Diekmann keineswegs zufrieden. "Auch bei kirchenfernen Paaren mache ich bei der Trauung keine Kompromisse." Natürlich plane er individuell mit Braut und Bräutigam die Zeremonie. "Aber das Evangelium ist selbstverständlich Bestandteil davon." Manche seiner Klienten seien aus der Kirche ausgetreten, andere waren nie drin. "Viele junge Paare, die mich buchen, sind im Elternhaus kaum mit dem Glauben in Berührung gekommen." Paare, die ihn buchen, sollten sich seinen Predigt-Podcast anhören, um zu wissen, was auf sie zukommt. Dennoch stehe die Mission nicht offensiv im Mittelpunkt. Vielleicht erlebt Diekmann gerade deswegen immer wieder berührende Momente. Eine Braut sei zehn Jahre regelmäßig im Gottesdienst gewesen, dann vier Jahre während des Studiums nicht mehr. "Die Predigt hat sie dann so angerührt, und dadurch hat sie erst gemerkt, dass ihr etwas gefehlt hatte."

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Was machen Diekmann und seine Redner anders? "Manche Kirche ist verstaubt. Und jede Generation braucht ihre Reformation. Der Inhalt bleibt gleich, aber die Formen müssen flexibel sein." Eine neue Form, die Diekmann für seine Generation gefunden hat, ist eine modernere Sprache: "Schließlich hat schon Luther geraten: Schaut den Leuten aufs Maul. Kirche darf sich nicht wie eine Subkultur verhalten und die Sprache der Zeit nicht sprechen. Wie will man so die wichtigen Inhalte der Bibel vermitteln?" Diekmann stellt deswegen seine Predigten als Podcast ins Internet. "Einige meiner kirchenfernen Paare, die ich getraut habe, sind nun die Abonnenten meines Predigt-Podcasts", berichtet er. Auch beim Trauspruch gibt sich Diekmann offen. "Das kann auch ein Gedicht oder Lied sein, mit dem das Paar eine emotionale Geschichte verbindet." Aber "Highway to Hell" würde er dann doch ablehnen.

"Es geht um die Gläubigen und um die Suchenden"

"Menschen unserer Tage haben vielleicht ein Problem mit der Kirche oder institutionellen Religion, nicht aber mit dem Glauben oder mit Jesus," meint  Tobias Kron, der als Theologe, Autor und freier Redner arbeitet. "Sie sind  auf der Suche und entscheiden sich oft gegen Gott, bevor sie von ihm gehört haben. Vielleicht beginnt die Reise des Glaubens mit dem Kontakt zu einem inspirierenden Pfarrer." Trauungen führten Menschen, die sonst nur mit viel mehr Mühe zu erreichen seien, auf einfache Weise in einen Gottesdienst. "Schließlich geht es bei Kirche nicht nur um die Gläubigen, sondern auch um die Suchenden."

Drei Bedingungen hat Diekmann für Redner, die er in seine Kartei aufnimmt: sie müssen gläubig sein, eine Beziehung zu Jesus haben und bereit sein, Nicht-Kirchenmitglieder zu trauen. Alles andere, auch ob sie gleichgeschlechtliche Paare trauen, überlasse er den Rednern und ihren Gewissenentscheidungen. Die meisten Mitarbeiter in seiner Kartei kennt Diekmann persönlich. "Wenn ich das Gefühl habe, das ist so ein durchgeknallter, kleiner Kreuzritter, dann ist der bei uns falsch." Bevor er einen Kandidaten in seine Kartei aufnimmt, redet er ausführlich mit ihm, befragt ihn zu Glauben und Glaubensbiographie, holt die Meinung seines Kompagnons ein und sammelt Informationen von Kollegen. Auch aus pragmatischen Gründen: "Ich bekomme 20 Prozent Provision. Das funktioniert nur, wenn Vertrauen da ist. Sonst wird meine Arbeit ausgenutzt."

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Mittlerweile hat er über 20 Redner in seiner Kartei. Darunter sind viele Pastoren aus freien christlichen Gemeinden, Pastoren im Ruhestand, denen "Hochzeiten einfach Spaß machen", aber auch ein evangelischer Gefängnisseelsorger. Als solcher traut dieser schon jahrelang Menschen, die nicht in der Kirche sind. Redner aus Ostdeutschland sehen "Rent a Pastor" als klare missionarische Chance. An Orten, wo die Menschen, Hochzeiten und Beerdigungen überhaupt nicht mit Kirche in Verbindung bringen und sehr selten in die Kirche gehen, wollen sie eine Brücke in den Glauben sein.

Macht Diekmann aus dem Glauben ein Geschäft? "Ich mache aus dem Glauben kein Geschäft. Aus der Hochzeit schon, aber nicht aus dem Glauben." Diekmann sieht das ganz pragmatisch. Als Pastor einer freien Gemeinde lebt er von Spenden. Wie viele seiner Kollegen brauche er ein zweites Standbein. Also ging er vor fünf Jahren mit seiner Webseite online und bot sich als freier Redner an. In der Gemeinde gebe es die Trauung quasi kostenlos, für alle diejenigen, die Kirchensteuer oder ähnliches bezahlen. Alle anderen müssten für ihn als Redner eben zahlen. Eine Trauung kostet ihn 15 Stunden an Vorbereitungszeit. Anfangs habe er dafür höchstens 300 Euro verlangt – der DJ bekam fünfmal so viel. "Wir haben eine Ausbildung, viele studiert, manche auch im Ausland. Der Arbeiter ist seines Lohnes wert, das müssen die Leute wissen." 

Zum Glauben gehört Gemeinschaft ...

Sieht die evangelische Kirche Konkurrenz am Horizont? Reinhard Mawick, Pressesprecher der EKD, bleibt gelassen, solange bei Angeboten von Miet-Pfarrern kein Etikettenschwindel betrieben werde: "Der EKD gehört ja nicht die Botschaft Jesu Christus."  Außerdem gebe es freie Redner schon seit Jahrzehnten. Viele Theologen wurden zwar ausgebildet, doch waren die Stellen knapp. Viele sind nicht in den kirchlichen Dienst übernommen worden. Viele können also Pfarrer, sind es aber nie geworden. Er hält es für normal, dass in unserer stark individualisierten Gesellschaft die Leute auch bei der Trauung etwas spezielles möchten. Mawick sieht das als Kompliment an den christlichen Glauben. "Das zeigt doch dass der christliche Glaube sehr attraktiv ist. Dass die Paare sich einen Pastor wünschen, liegt ganz klar an den christlichen Inhalten.“

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Den Vorwurf, dass die Zeremonien der Kriche zu starr und angestaubt seien, hält EDK-Sprecher Mawick aber für ein Zerrbild. "In meiner Zeit als Pfarrer hat sich nie jemand beschwert." Wer aber das 150-prozentige individualistsiche Event haben möchte, sei doch bei freien Angeboten besser aufgehoben. Er frage sich aber, wie sinnvoll das sei. "Glauben bedeutet doch auch die starke Gemeinschaft, die christliche Gemeinde, das kirchliche Leben.“

... für die Menschen erst gewonnen werden müssen

Andreas Baldzer aus der "Rent A Pastor"-Kartei stimmt dem zu, sagt aber auch: "Davor müssen Menschen erst einmal für Christus gewonnen werden. Und ich sehe in meiner Arbeit als freier Redner eine große Chance, ein 'Publikum' zu erreichen, das ich sonst nicht erreichen würde." Sein Kollege Martin Körber argumentiert so: "Auch Jeses hatte viel mit 'glaubensfernen' Menschen zu tun. Warum sollten wir uns also nur auf Kirchenmitglieder beschränken? Jesus hatte viel zu sagen, und auch wir haben etwas mitzuteilen, was für 'glaubensferne' Menschen wichtig ist."

Durch einen gemieteten Pfarrer verkommt die Trauung, der Glauben zum Event! Diesen Vorwurf muss sich Diekmann oft anhören. Marc Gerlach, Lehrer für evangelische Theologie, findet die Seite "Rent a Pastor" zwar "irgendwie kommerziell", findet es aber falsch, "Interesse am Glauben abzuwürgen". Ähnlich sieht es auch Tobias Kron, ein Redner in Diekmanns Kartei. Er sieht nichts unbiblisches in solchen "Events": "Sonst müssten wir Gottesdienste zu Weihnachten, Ostern und Konfirmationen genauso kritisch sehen."

Ismael Kluever hingen fragt auf Facebook, was sich kirchenferne Paare von einer Trauung durch den Pastor versprechen: "Ist ein Pastor da wirklich nur Accessoire für ein Event? Sind die Leute abergläubisch und wollen deshalb irgendeine Form von 'Segen'?"

"Ich glaube, Gott gefällt das trotzdem"

Für Fabian Maysenhölder, Student der evangelischen Theologie und verantwortlich für theopop.de meint: "Das Bedürfnis, in besonderen Augenblicken im Leben von jemandem begleitet zu werden, der für eine inhaltliche Lebensausrichtung steht (in diesem Fall der christlichen), ist doch etwas, ẃas wir als Kirche sehr positiv aufnehmen könnten."

Samuel Diekmann, der Betreiber von "Rent A Pastor" segnet das frischvermählte Paar in der Regel auch: "Der Segen Gottes ruht auf allen Menschen, die ein Leben lang zusammenbleiben wollen, das ist meine Überzeugung. Unabhängig von ihren Glaubenskonzepten. Ich glaube, dass Gott das trotzdem gefällt."

Reinhard Mawick von der EKD bereitet ein anderes Phänomen Kopfzerbrechen: Immer weniger Menschen heiraten - gleich ob kirchlich oder standesamtlich. "Immer weniger Menschen dokumentieren durch eine Hochzeit, dass sie eine lebenslange Verpflichtung füreinander übernehme," so Mawick. "Das ist das größere Problem."