Käßmann: EU sollte in Konflikten auf religiöse Vermittler setzen

Käßmann: EU sollte in Konflikten auf religiöse Vermittler setzen
Die Europäische Union sollte nach Ansicht der Reformationsbotschafterin Margot Käßmann stärker auf Kirchen und Religionen als Akteure der Friedenspolitik setzen.

"Religiös motivierte Akteure tragen zur Verminderung von Gewalt in politischen Konflikten bei", sagte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstagabend in Brüssel. Dazu gebe es zahlreiche Fallbeispiele. Auch die europäische Außenpolitik sollte das Potenzial der Religionen bewusster ausschöpfen, sagte Käßmann.

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Käßmann war im Rahmen des 500. Reformationsjubiläums in die Europa-Hauptstadt gekommen. Auf einer Diskussionsveranstaltung der EKD und des Auswärtigen Amtes sprach sie zum Thema "Reformation und Toleranz". In zahlreichen Konflikten hätten religiös motivierte Akteure erfolgreich als Vermittler gewirkt, sagte Käßmann unter Verweis auf eine Studie des Politologen Markus Weingardt. Die buddhistischen Mönche in Kambodscha seien ebenso zu nennen wie der katholische Bischof Belo in Osttimor. "Was wissen wir eigentlich über die Vermittlungsbemühungen in Sambia oder Nicaragua, Sri Lanka oder Kongo?"
 
Die Öffentlichkeit sei fixiert auf "Selbstmordattentäter, die meinen, aus religiösen Gründen zu handeln", und auf Religion, die sich zur Konfliktverschärfung habe verführen lassen, unterstrich die evangelische Theologin. Begrüßenswert seien indessen die Ende Juni verabschiedeten neuen EU-Richtlinien zur Religions- und Gewissensfreiheit. Gerade in Ländern, die große Umwälzungen erlebten, sei der Umgang mit Religion ein Zukunftsthema: "Die Nachrichten aus Ägypten hören wir in diesen Tagen ja alle."

Anders-Sein des Nächsten als Bereicherung für das eigene Leben erkennen

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper (FDP), beklagte, dass es auch in Deutschland "mitunter an Verständnis und Toleranz" fehle: "Die Debatte in Deutschland um das Thema Beschneidung hat ein "erschreckendes Maß antireligiöser Ressentiments gegenüber jüdischen und muslimischen Traditionen offengelegt."

In mancher Wortmeldung während der Debatte sei eine irritierende Unkenntnis zum Vorschein gekommen, sagte Pieper. "Deutschland ist Heimat von Christen, Juden, Muslimen, es ist Heimat von Buddhisten und Hindus. Sie alle sind uns willkommen. Wir sind stolz, wenn sie Deutschland als ein tolerantes und weltoffenes Land empfinden."
 
Toleranz sei als aktive Toleranz zu verstehen, "die im Anders-Sein des Nächsten eine Bereicherung für das eigene Leben erkennt", betonte die FDP-Politikerin. Sie verwies auch darauf, dass weltweit rund 100 Millionen Christen in 130 Staaten diskriminiert und in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt würden. In der Diskussion hob Pieper die Bedeutung der Auslandsarbeit der deutschen Kirchen hervor: "Sie ist ein wesentliches Element der deutschen kulturellen Präsenz" im Ausland."

Der Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg, Eckhard Naumann, sagte, auch die "theologisch distanzierten" Bürger Wittenbergs seien stolz auf das anstehende Jubiläum. Sie bereiteten es mit großem Engagement vor. Naumann verwies darauf, dass der Bundestag in einem fraktionsübergreifenden Antrag beschlossen habe, die Lutherdekade zu würdigen. "Vielleicht kann sich auch das Europäische Parlament mit dieser Frage befassen, das würde uns in Wittenberg besonders freuen", regte er an.