Die Kunst des Müßiggangs

Foto: epd-bild/Jens Schulze
Einfach mal gar nichts machen fällt vielen schwer - auch, weil es gesellschaftlich verpönt ist.
Die Kunst des Müßiggangs
Es klingt wie eine Provokation: Wer eine Zeit lang gar nichts tut, werben Psychologen, bekommt ein Gespür für die wirklich wichtigen Dinge im Leben - und erreicht seine Ziele mit weniger Aufwand.
04.08.2013
epd
Stephan Cezanne

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Der Umgang mit der Lebenszeit ist eine schwer erlernbare Kunst. Während sich alle Lebensbereiche beschleunigen, suchen viele Menschen nach Auswegen aus Hektik und blindem Aktionismus. Das "süße Nichtstun" im Urlaub könnte da ein Vorgeschmack sein: Wenn es gut läuft, scheint der Sommer die Zeit für einen Augenblick stehen zu lassen.

"Beim Nichtsmachen bleibt nichts ungemacht", heißt es bereits in der altchinesischen Spruchsammlung Tao Te King. Ob diese wirklich vom legendären Philosophen Laotse stammt, der im 6. Jahrhundert vor Christus gelebt haben soll, ist ungewiss. Doch der Rat gilt noch heute: Viele Psychologen, Philosophen und Managementtrainer raten zum Innehalten - oder dazu, eine Zeit lang absolut nichts zu tun.

Müßiggang oder Faulenzen meist verpönt

Was so einfach klingt, kostet freilich Überwindung. Schließlich ist reines Nichtstun in der westlichen Kultur als Müßiggang oder Faulenzen verpönt. Viele fühlen sich schuldig, wenn sie nicht wenigstens irgendwie beschäftigt sind. Doch Freiräume sollten nicht auch noch mit Aktivität gefüllt werden, sagen Lebensberater. Die ständige Geschäftigkeit berge die Gefahr, sich von den eigentlichen Lebenszielen ablenken zu lassen.

###mehr-links### "Wir haben ja schon Angst vor den Momenten völliger Entspannung, weil wir sie als verlorene Zeit empfinden. Stattdessen sollten wir lernen, sie als gewonnene Zeit wahrzunehmen", betont Frédéric Lenoir, einer der renommiertesten Philosophen und Soziologen Frankreichs: "Jeden Tag gehe ich ohne ein bestimmtes Ziel spazieren, ich schaue zu, wie meine Katze mit meinem Hund herumtollt." Er ist überzeugt: "In diesen Zeitabschnitten, in denen ich Druck ablasse, tankt mein Geist neue Energie." Seine Effizienz bei der Arbeit sei danach "zehn Mal so hoch", erklärt der Bestseller-Autor ("Was ist ein geglücktes Leben?")

"Pausen sind nicht nichts, sind kein zeitliches Refugium für Faulenzer und Drückeberger", mahnt der "Zeitforscher" Karlheinz A. Geißler. Pausen seien vielmehr der "Humus für Gelegenheiten, die es sonst nicht gäbe, für wichtige Erfahrungen und einmalige Erlebnisse". Geißler: "Pausen sind Leuchttürme des Daseins, die den Aktiven den Weg weisen und sie bewahren, an den Untiefen ihres Tuns zu scheitern."

Pause als unverzichtbarerer Teil jeder kreativen Arbeit

Selbst Gott habe bei der Erschaffung der Welt am siebten Tag eine Pause eingelegt: "Ohne sie hätte er sich nicht sicher sein können, ob das, was er getan hatte, gut oder weniger gut gelungen war." Laut Bibel sei die Pause also unverzichtbarerer Teil jeder kreativen Arbeit, urteilt der emeritierte Professor.

Man kann sein Leben ändern, indem man absolut nichts tut, ist sich die Autorin Karen Salmansohn sicher: "Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass man durch Innehalten und Nichtstun schneller vorwärts kommt - und auch klüger entscheiden kann", urteilt die New Yorker Lifestyle-Reporterin und Autorin für Lebenshilfe-Bücher.

Biologen hätten herausgefunden, dass Innehalten und Nichtstun die Aktivität der Gehirnwellen verlangsamt, den Blutdruck senkt, die Durchblutung fördert, den Energiehaushalt des Körpers verbessert, Stress reduziert und das Immunsystem stärkt, gibt sie zu bedenken. Salmansohn: "Seitdem ich dieses Trainingsprogramm im Nichtstun mache, habe ich an mir eine Kraft und Energie, eine geistige Klarheit und Entscheidungsfreudigkeit entdeckt, die ich nie für möglich gehalten hätte."

Von einem Ziel zum nächsten

"Wir glauben oft, dass Ziele notwendig sind, um etwas zu erreichen", heißt es auf "Zen Habits", einer der meistbesuchten Internetseiten im englischsprachigen Raum zu den Themen Glück, Arbeit, Motivation und Gesundheit. Doch wer sich allzu starr auf Ziele fixiere, verschließe sich zugleich neuen Möglichkeiten: "Wir erreichen zwar das eine Ziel, suchen aber sofort das nächste" - das stehe dem Lebensglück im Weg.

Auch die Aufschieberitis ist "nicht die schlimmste Untugend der Welt", beruhigt der US-amerikanische Philosophieprofessor John Perry. Diese kleine Schwäche, so der Autor des Buchs "Einfach liegen lassen - Das kleine Buch vom effektiven Arbeiten durch gezieltes Nichtstun", habe durchaus ihre Vorteile. "Liegenlasser haben vielleicht nicht die meisten Ergebnisse vorzuzeigen, aber weil sie Ideen und Energien spontan schweifen lassen, kann alles Mögliche entstehen, wofür in einem straffer strukturierten Tagesablauf niemals Raum wäre." Man könne zwar gegen seine Trödelei ankämpfen, meint Perry: "Vor allem aber genießen Sie das Leben."