Was aus dem Ozonloch wurde

Zwei Satellitenaufnahmen der Erde, eingefärbt. Links vom 24.09.2006, rechts vom 09.06.2013. Im linken Bild ist ein deutlich größerer Bereich zu sehen, in dem die Ozonschicht so dünn ist, dass die Forscher vom "Ozonloch" sprechen.
Foto: dpa/NASA
Das Ozonloch über der Antarktis am 24.09.2006 (links) und am 09.06.2013. Die blauen und violetten Farben zeigen Bereiche, in denen die Ozonschicht dünn ist, Gelb und Grün weisen auf mehr Ozon hin.
Was aus dem Ozonloch wurde
Warum das Problem Ozonloch gelöst aber noch nicht zu Ende ist
Die gute Nachricht: Das 1985 erkannte Ozonloch wird immer kleiner. Die schlechte: Seit 2011 gibt es ein zweites. Noch eine gute Nachricht: Den Grund dafür, dass das "alte" Ozonloch schrumpft, sehen Wissenschaftler im Erfolg des weltweiten Verbots von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW). Zweite schlechte Nachricht: Bis das Ozonloch wieder ganz geschlossen ist, dauert es noch wenigstens 50 Jahre, und es könnte noch länger dauern, weil wir mittlerweile noch andere globale Probleme haben.
15.08.2013
evangelisch.de
Stefan Erbe mit Material von dpa

Der Sommer 2013 ist der erste, in dem das Alfred-Wegener-Institut (AWI) bekannt gegeben hat: "Wir können zum ersten Mal davon sprechen, dass unsere Daten eine Umkehr im Ozontrend abbilden. Die Ozonschicht erholt sich". Jetzt sei das Ozonloch über der Antarktis "nur" noch 50 Mal so groß wie Deutschland, nämlich 18 Millionen Quadratkilometer. Schon seit drei bis vier Jahren gebe es Anzeichen dafür, dass sich die Ozonschicht erholt, aber das AWI wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. "Die Daten aus dem vergangenen Jahr aber haben uns nun vollends überzeugt. Das Ozonloch schließt sich", sagt Dr. Gert König-Langlo, der das Meteorologische Observatorium an der Antarktis-Forschungsstation des AWI leitet.

Forscher hielten das Ozonloch erst für einen Messfehler

Bekannt ist das Ozonloch, seit 1985 britische Forscher einen Bericht im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichten, der die Welt aufrüttelte: In der Stratosphäre über der Antarktis hatten sie extrem niedrige Ozon-Werte gemessen. Zu dem gleichen Ergebnis hätten eigentlich schon einige Jahre zuvor auch die Wissenschaftler der Nasa kommen können, denn deren Forschungssatellit Nimbus‑7 hatte schon Anfang der 1980er Jahre ebenso niedrige Werte über dem Südpol registriert. Doch die Forscher vermuteten damals, dass es sich um Messfehler handelte.

###mehr-artikel### Nach dem Ergebnis der britischen Forscher war jedoch klar: Die Satelliten-Daten der Nasa waren korrekt und bestätigten, dass das Gebiet, in dem die Ozonschicht so stark ausgedünnt ist, die gesamte Antarktis überdeckt. Das Ozonloch war entdeckt. Seither entsteht es jedes Jahr nach dem antarktischen Winter, also im September.

Damit hatten auch die Physikchemiker Mario Molina und Frank Sherwood Rowland mit ihrer Warnung von 1974 Recht: Sie hatten prognostiziert, dass die seit den 1930er Jahren hergestellten Fluor­chlor­kohlen­wasser­stoffe (FCKW) bis in die Stratosphäre aufsteigen und dort Ozon zerstören und die Neubildung von Ozon verhindern können. Zusammen mit dem Atmosphärenchemiker Paul Crutzen erhielten sie dafür 1995 den Nobelpreis für Chemie. Dass die Zerstörung so schnell und so stark sein würde, hatten sie allerdings noch nicht für möglich gehalten.

Die Welt reagiert mit einem einmaligen Vertrag

Hätte sich dieser Prozess fortgesetzt und von der Südpolarregion weltweit ausgedehnt, würde unserem Planeten der einzige Schutzschild fehlen, der die für Menschen und Tiere gefährliche UV-Strahlung absorbiert. "2050 wäre die Ozonschicht weltweit fast komplett zerstört", erklärt Markus Rex vom AWI. Nobelpreisträger Mario Molina spricht sogar davon, dass sich dadurch die Struktur der gesamten Atmosphäre verändern würde. Neben dem massiven Anstieg der Hautkrebsrate "hätte es auch indirekte Auswirkungen auf die Ökosysteme gegeben. Die vielen Dinge, die wir von der Natur bekommen, wären geschädigt worden."

###mehr-info### Die Weltpolitik reagierte schnell: Bereits 1987 unterzeichneten 27 Staaten das Montreal-Protokoll und verpflichteten sich, Chemikalien zu reduzieren und schließlich ganz zu verbieten, die das Ozon in der Atmosphäre zerstören können, zum Beispiel Fluor­chlor­kohlen­wasser­stoffe (FCKW). Inzwischen haben 197 Staaten diesen Vertrag ratifiziert, der als einmaliger Meilenstein im Umwelt-Völkerrecht gilt. Manch einer spricht sogar von einem Wunder. "Das ist ein ganz beeindruckender Erfolg der internationalen Umweltpolitik", sagt Markus Rex. FCKW sind in Deutschland seit 1995 vollständig verboten, in den Industrieländern ab 2030 und in den Entwicklungsländern ab 2040.

Umweltschützer fordern noch mehr

Trotzdem wird es nach Expertenmeinung noch wenigstens bis 2065 dauern, bis die Ozonschicht über der Antarktis wiederhergestellt ist, denn die FCKW sind sehr langlebig. Auch bei uns in den mittleren Breiten ist erst dann mit einer Besserung zu rechnen: Seit 1980 ist hier die Ozonschicht um drei bis fünf Prozent dünner geworden.

Der Umweltschutzorganisation Greenpeace gehen die Vereinbarungen im Montrealer Protokoll und seinen Nachfolgeverträgen nicht weit genug. "Es hätte ein Erfolg werden können, der aber von der Industrie unterlaufen wurde", kritisiert Wolfgang Lohbeck. Als Ersatz für die verbotenen FCKW würden noch immer die sogenannten "weichen" H‑FCKW eingesetzt. Die sind in der EU tatsächlich erst ab 2026 verboten, weil sie ein geringeres Ozonabbaupotenzial besitzen als die FCKW und nur teilweise bis in die Ozonschicht gelangen.

Wenn es nach Greenpeace ginge, sollte aber generell auf sogenannte fluorierte Stoffe verzichtet werden, also nicht nur auf die FCKW, sondern auch auf die als Ersatzmittel zunehmend verwendeten Fluor­kohlen­wasser­stoffe (FKW), die beispielsweise in Klimaanlagen für Autos eingesetzt werden. Denn all diese F-Gase haben ein besonders hohes Treibhauspotential. Laut Lohbeck sei statt dessen Kohlenstoffdioxid (CO₂) ein "bewährtes und effizientes natürliches Kältemittel".

Obwohl wir doch gerade von Forschern und Umweltschutzorganisationen hören, dass wir dringend weniger CO₂ produzieren sollen, ist es aber kein Widerspruch, wenn Lohbeck den Einsatz von CO₂ befürwortet: CO₂ trägt zwar mengenmäßig am meisten zur globalen Erwärmung bei, F-Gase haben an sich aber schon einen größeren Effekt in Bezug auf den Treibhauseffekt. Ein Kilogramm des in vielen Autoklimaanlagen verwendeten H‑FKWs R134a trägt beispielsweise innerhalb der ersten 100 Jahre nach Freisetzung 1.430-mal so stark zum Treibhauseffekt bei wie ein Kilogramm CO₂.

Das Umweltthema der Gegenwart ist der Klimawandel

Und so bleibt die Klimaerwärmung "eines der größten Themen, mit der sich die heutige Gesellschaft auseinandersetzen muss", sagt Nobelpreisträger Mario Molina heute. Die Hauptfolgen seien extreme Wetterlagen, Hochwasser, Dürren und Hitzewellen. Zugleich verändere der Klimawandel aber auch die Struktur der Atmosphäre: "Obwohl die Probleme unterschiedlich sind, gibt es eine Wechselbeziehung zwischen dem Ozonproblem und dem Klimawandelproblem".

###mehr-links### Das bestätigt auch Christoph Bühl vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz: Während die Temperaturen auf der Erde steigen, wird die Luft in der Ozonschicht kälter, und das behindert wiederum die Bildung von Ozon in der Ozonschicht.

Im Jahr 2011 gab es deshalb zum ersten Mal auch über dem Nordpol ein Ozonloch. Das erholt sich laut AWI zwar schon wieder, weil es über dem Nordpol generell wärmer ist. Ob sich künftig jedoch auch über dem Nordpol regelmäßig ein Ozonloch bildet, könne aber derzeit niemand sagen, sagt Markus Rex vom AWI. Die Temperaturen dort würden auch von Prozessen in der Atmopshäre beeinflusst, "die noch nicht gut verstanden sind und von unseren Wettersystemen ausgehen".

Umso wichtiger ist es also, die Probleme des Klimawandels zu lösen. "Vor allem die Politik macht es im Moment schwierig", sagt Mario Molina, "aber wir sind der Meinung, dass das wissenschaftliche Anliegen so wichtig ist, dass die Gesellschaft in naher Zukunft reagieren wird – hoffentlich noch dieses Jahrzehnt."