"Es ist etwas sehr Jüdisches, an Jesus zu glauben"

Büchertisch mit einem jüdischen Neuen Testament
Foto: Thomas Klatt
Ein Blick auf den Büchertisch bei der Konferenz von Beit Sar Shalom Evangeliumsdienst e.V.: Dort liegt ein jüdisches Neues Testament.
"Es ist etwas sehr Jüdisches, an Jesus zu glauben"
Messianische Juden sehen in Jesus den verheißenen Messias. In Deutschland sind sie im Verein Beit Sar Shalom (Hebräisch für "Haus des Friedefürsten") Evangeliumsdienst organisiert, der zur zweiten "Jüdisch-Messianischen Israelkonferenz" nach Berlin eingeladen hat. Die meisten evangelischen Landeskirchen distanzieren sich von der Bewegung, und auch die jüdische Kultusgemeinde verurteilt deren Aktivitäten als inakzeptable Form der Judenmission.

Die Bewegung der messianischen Juden wächst. Weltweit sollen es bereits mehrere 100.000 "messianics" sein, vor allem in den USA und in Israel. Auch in Deutschland wird diese Bewegung immer beliebter, vor allem bei Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, 5000 sollen es schon sein. Kann man also diese neue Strömung im jüdisch-christlichen Kontext noch ignorieren?

Lobpreis auf Hebräisch: Sie lieben Jesus und sie lieben Israel.

Sie kommen zum Lobpreis zusammen, tragen Kippa und Gebetsschal, schmücken sich mit Davidsternen und blasen das Widderhorn. Der Schofar wird im traditionellen jüdischen Gottesdienst zwar nur zum Neujahrsfest und zu Jom Kippur geblasen, aber das scheint die Versammelten nicht zu stören. Begeistert tuten sie in ihr Horn, während die Lobpreisgruppe auf der Bühne Gott, Israel und den gekommenen Messias Jeschuah anbetet. Mehr als 400 sogenannte messianische Juden samt ihrer christlichen Unterstützer und Sympathisanten reißt es von den Stühlen. Begeistert klatschen und singen sie mit. Aus ganz Deutschland sind sie dem Konferenzaufruf von Wladimir Pikman vom Beit Sar Shalom Evangeliumsdienst gefolgt. Die Tagung findet in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Berlin-Hohenschönhausen statt. Alle eint eine Botschaft: Sie lieben Jesus und sie lieben Israel.

"Es ist etwas sehr Jüdisches, an Jesus zu glauben und dabei ein Jude zu bleiben. So waren die Apostel damals die ersten Jesus-Gläubigen", erklärt Wladimir Pikman. Der aus der Ukraine stammende Mathematiker hat sich in den USA zum jüdisch-messianischen Rabbiner ordinieren lassen. Die messianischen Juden meinen nahtlos an die Geschichte des Urchristentums anknüpfen zu können. Pikman sieht sich und seine Bewegung neben dem liberalen, konservativen, orthodoxen oder ultraorthodoxen Judentum als eine gleichberechtigte jüdische Strömung an.

Gottesdienst am Schabbath

"Es ist unsere Synagogen-Art. Wir sind messianische Juden. Was uns unterscheidet ist, dass wir in Jesus den verheißenen Messias Israels sehen und wir die Bücher des Neuen Testaments auch als Offenbarung Gottes betrachten", erklärt Pikman.

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Auch der aus der Ukraine stammende Anatoli Uschomirski von der Schma Israel-Gemeinde in Stuttgart bekennt sich zu Jesus als seinem Erlöser, dem Gesalbten, dem Messias. Doch auch er will Jude bleiben. Deshalb feiern sie auch weiterhin ihren Gottesdienst am Schabbath. "Kadisch, Sch'ma, Amida, alle jüdischen Gebete haben einen wichtigen Bestandteil in unserer Liturgie. Ich glaube, das ist nicht im Sinne Gottes, dass wir als Juden Christen werden und unsere jüdische Identität ablegen", erklärt der messianische Gemeindeleiter.

Dass messianische Juden mit ihrem Bekenntnis zu Jesus letztlich Judenmission betreiben würden, ist für Uschomirski ein absurder Vorwurf: "Viele Rabbiner, aber auch viele christliche Theologen verstehen unter der Judenmission die Tatsache, dass man aus Juden Christen macht. Das ist uns total fremd. Was wir machen ist Jüngerschaft, jüdische Jüngerschaft."

Christliche Überheblichkeit?

Das sieht aber der Berliner Rabbiner Andreas Nachama, und damit spricht er wohl für alle seine liberalen und orthodoxen Amtsbrüder, ganz anders. Nicht nur, dass messianische Juden schon in seiner Synagoge auftauchten und zu missionieren versuchten. Auch verbietet sich aus der leidvollen deutschen Geschichte heraus jede Form der Mission. "Jüdische Gemeinden in Deutschland sind von nicht-jüdischen nicht zu missionieren. Das ist nicht lauter", stellt Nachama klar.

Davidstern und Siebenarmiger Leuchter: Auf der Konferenz von Beit Sar Shalom sind jüdische Symbole zu sehen.

Denn jahrhundertelang haben Juden unter der Dominanz  der christlichen Kirche gelitten. Strebten Juden eine bürgerliche Existenz an oder wollten sie in den Staatsdienst, so mussten sie ihre Religion verleugnen und sich taufen lassen, sich also assimilieren. Jahrhundertelang versuchten Christen, den Juden ihre Sicht auf die Geschichte und die Heilserwartungen Israels als den besseren Glauben aufzuzwingen. Der politische Antisemitismus des 19. und 20. Jahrhunderts und damit der Holocaust waren im Grunde erst möglich, weil der kirchlich-christliche Antijudaismus dafür den Weg bereitet hatte. Jede Form christlicher Überheblichkeit gegenüber Juden verbietet sich daher heute.

Zumindest die römisch-katholische Kirche und die meisten evangelischen Landeskirchen in Deutschland lehnen jede Form der Judenmission längst ab. Auch nach der Grundordnung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz ist es verpönt, Juden zu Jesus bekehren zu wollen.

Pröpstin: "Ich verzichte auf einen Dialog mit Beit Sar Shalom"

"Genau vor diesem Hintergrund ist das Verhältnis zu der jüdisch-messianischen Gemeinde zu sehen. Diese Gemeinde macht unseren jüdischen Glaubensgeschwistern das Leben schwer, weil sie die Mitglieder der jüdischen Gemeinde als Missionsobjekte betrachtet. Das heißt: Um der gewachsenen Gemeinschaft mit der jüdischen Gemeinschaft willen verzichte ich auf einen Dialog mit Beit Sar Shalom", erklärt die evangelische Pröpstin Friederike von Kirchbach.

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Auch für Rabbiner Nachama kann es ein gutes Miteinander mit dieser religiösen Sondergruppe nicht geben. Denn Grundlage des religiösen Judentums ist nun einmal, dass sie noch auf die Ankunft des Messias warten und darum beten. Juden aber, die sich zum Messias Jesus bekennen, sich trotzdem nicht taufen lassen und nicht zu Christen werden wollen, sind und bleiben ein Paradox. "Sie stehen in einer christlichen Tradition. Zwischen ihnen und einer jüdischen Gemeinde kann es nicht zu einem fruchtbaren Dialog kommen. Das sind einfach unvereinbare Gegensätze. Die sind für mich einfach eine Sekte", erklärt Rabbiner Andreas Nachama.