Asylpolitik bei Maischberger: "Da geht es um Sozialneid"

Sandra Maischberger und ihre Gäste
Foto: WDR/Max Kohr
Moderatorin Sandra Maischberger (M) im Gespräch mit (v.l.n.r.): Philipp Gut, Stellv. Chefredakteur der "Weltwoche", Michel Friedmann, Journalist, Khadra Sufi, TV-Moderatorin und ehemalige Asylbewerberin, Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln und Carolin Walter, ARD-Fernsehjournalistin.
Asylpolitik bei Maischberger: "Da geht es um Sozialneid"
Weltweit sind 45 Millionen Menschen auf der Flucht. Etwa 100.000 kommen voraussichtlich in diesem Jahr nach Deutschland. Vor einem neuen Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf kommt es in diesen Tagen zu massiven Protesten. Die NPD versucht die Stimmung für sich zu nutzen und bekommt Zuspruch von den Einwohnern. "Sind wir Ausländerfeinde?" war deshalb das Thema der Sendung "Menschen bei Maischberger".

"Es ging in jeder Stunde ums Überleben", sagt Khadra Sufi, wenn sie von der Flucht ihrer Familie aus Somalia erzählt. Mehrfach mussten die Kinder mit ansehen, wie die Eltern fast ermordet worden wären. Sufi erzählt bei "Menschen bei Maischberger" nur einzelne Etappen ihrer Flucht, man kann nur erahnen, wie viel Schlimmes sie erlebt, wie viel Grausames sie gesehen hat. Jahrelang haben sie kein zu Hause. Die einst stolze Diplomatenfamilie muss auf der Straße nach Essen fragen – Sufi meidet das Wort "betteln". Ihr Vater ist mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, weil er im Fall der Flugzeugentführung in Mogadischu geholfen hat.

Doch als die Familie nach vielen Monaten der Flucht in Deutschland ankommt, muss sie ins Asylbewerberheim. Das war 1991 – Sufi war damals zwölf Jahre alt. Am Anfang war sie froh, in Sicherheit zu sein, erzählt sie. Mit der Zeit habe sie dann gemerkt, dass Menschen aus dem Heim abgestempelt würden, auch die Kinder. Anders als ihre Familie hat sie sich trotzdem dafür entschieden, in Deutschland zu bleiben. Jetzt blickt Sufi mit Sorge nach Berlin-Hellersdorf. Vor einem neuen Flüchtlingsheim hat der Protest einiger Nachbarn Rechtsextreme auf den Plan gerufen. "Das ist ein beklemmendes Gefühl", sagt Sufi. "Als Kind hätte es mir Angst gemacht."

"Wir wollen keine Asylanten"

In Hellersdorf finden sich auch Gegendemonstranten ein – und Menschen, die direkt im Heim helfen. wollen. Trotzdem sind gerade unter den Anwohnern immer wieder welche, die den Rechten zumindest zum Teil beipflichten. "Wir wollen keine Asylanten", sagt einer in einem Einspielfilm der Maischberger-Sendung. Der Titel der Sendung fragt deshalb: "Wut auf Asylbewerber: Sind wir Ausländerfeinde?" Sufi, die inzwischen Moderatorin ist, steht auch 20 Jahre später noch für ein Einzelschicksal, das das Leben anderer Asylbewerber greifbarer macht. Wie sie hat jeder Flüchtling, der nach Hellersdorf kommt, eine Geschichte.

###mehr-artikel### In die Sendung eingeladen war außerdem der Journalist und Talkmaster Michel Friedman. Er zeigt wenig Verständnis für die Proteste. Viele der Flüchtlinge kämen aus Syrien. "Einerseits empören wir uns, dass die Zivilbevölkerung dort leidet. Wenn welche hierher kommen, sagen wir: 'Raus mit euch!'" Ängste und Vorurteile dürfe man zwar nicht wegreden: "Aber sie legitimieren weder Hass noch Gewalt noch Nazis", sagt Friedman.

Auch Caroline Walter, ARD-Journalistin, zeigt sich erschüttert. Sie hat vier Wochen lang in einem Asylbewerberheim gewohnt und eine Reportage darüber gemacht. Von den Schicksalen der Menschen dort berührt und von deren Wohnsituation schockiert, sprach sie mit vielen Einheimischen. Dabei stieß sie auf Vorurteile und Überfremdungsängste. Die sind unbegründet, wie Friedmann vorrechnet: Wenn 100.000 Flüchtlinge nach Deutschland kämen, seien das nicht einmal 0,2 Prozent der Bevölkerung. Das Argument der Überfremdung sei deshalb haltlos.

"Es geht um Sozialneid und Sozialangst"

Der Schweizer Journalist und stellvertretende Chefredakteur der "Weltwoche", Philipp Gut, sieht das anders. Er hat Verständnis für die Proteste: "Die Kriminalität unter Asylbewerbern ist groß." Eine These, die Berlin-Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky so nicht stehen lassen will. Auch wenn es Einzelfälle von Kriminalität gebe, habe die große Mehrheit der Asylbewerber nichts mit damit zu tun. Friedman pflichtet ihm bei. "Die Menschen haben dieselben Träume wie wir." Allerdings könnten sie diese nicht verwirklichen, weil sie durch Residenzpflicht und Arbeitsverbot daran gehindert würden. Auch das eine These, die bei den meisten Diskutanten große Zustimmung erfährt.

###mehr-links### Überhaupt ist es ein harmonischer Talkabend – sieht man einmal von Philipp Gut ab, der gerade bei Friedmann immer wieder für Empörung sorgte. Differenzierter wird es, als es um die Ausgangfrage geht: "Sind wir Ausländerfeinde?" Sufi antwortet darauf klar mit "Nein" – auch wenn sie persönlich oft Gegenteiliges erlebt hat. Friedman kommt zu dem Schluss: "Es ist kein rassistisches Land, aber es gibt Rassismus, und der macht mir Sorgen."

Buschkowsky sieht das hingegen gelassener. Er bezweifelt, dass der Protest in Hellersdorf ethnische Gründe hat. "Da geht es um Sozialneid und um Sozialangst." Als Kind habe er erlebt, wie ostdeutsche Flüchtlinge in Westberlin angekommen seien. Die habe niemand haben wollen: "Brüder und Schwestern, für die wir Kerzen ins Fenster gestellt haben." Doch dann bekamen sie im Westen bevorzugt Wohnungen und andere Vorteile. Westdeutsche hatten das Gefühl, zu kurz zu kommen. Ähnlich sehe er auch die Proteste gegen die heutigen Flüchtlinge.

An diesem Punkt wäre es spannend gewesen, in der Diskussion weiter zu gehen – etwa mit der Frage, inwieweit die NPD diesen Neid für sich nutzt. Doch dafür fehlte die Zeit. Ein Manko der ansonsten angenehm unaufgeregten und wichtigen Diskussion.