Jahreswechsel: Kirchen kritisieren Flüchtlingspolitik

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Flüchtlinge stoßen an viele Grenzen, manchmal sind sie aus Stacheldraht.
Jahreswechsel: Kirchen kritisieren Flüchtlingspolitik
Die Kirchen in Deutschland haben zum Jahreswechsel zu mehr Solidarität und Nächstenliebe aufgerufen. Zugleich mahnen Bischöfe ein Umdenken in der europäischen Flüchtlingspolitik an. Das Flüchtlingsthema könne nicht ignoriert oder allein Einreiseländern wie Italien oder Griechenland überlassen werden, erklärte der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki in einem vorab verbreiteten Redetext. Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es sei ein Skandal, dass Europa nicht die Menschenwürde zur Grundlage für seine Flüchtlingspolitik mache, sondern wirtschaftliche Interessen maßgebend für die Grenzpolitik seien.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, warnte vor einem Rückfall Europas in überholte Nationalismen. "Bauen wir weiter an diesem Kontinent des Friedens, an einer Welt der Verständigung, der Solidarität und der Nächstenliebe!", sagte der Erzbischof am Dienstag im Jahresschlussgottesdienst im Freiburger Münster nach einem zuvor verteilten Redetext. Zollitsch erinnerte zugleich an die aktuellen Opfer von Gewalt, Verfolgung und Krieg, etwa in Syrien, im Südsudan und im Nahen Osten. "Auch Anschläge wie die im Irak und im Libanon lassen uns fragen: Wo ist der Frieden?", fügte der Erzbischof hinzu.

Junkermann forderte "menschenrechtsbasierte Asylpolitik"

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Zum Thema Flüchtlingspolitik sagte Kardinal Woelki, die langjährigen Kategorien Kriegs- oder Wirtschaftsflüchtling passten heute "ganz einfach nicht mehr genau". Viele der Flüchtlinge hätten ihre Heimatländer verlassen, weil sie dort für sich und ihre Familien keine Zukunftschancen mehr sähen, sei es durch Armut, Krieg oder wegen sozialer und ökologischer Missstände, so der Berliner Erzbischof in seiner vorab verbreiteten Predigt zum Jahresabschluss in der Sankt Hedwigs-Kathedrale.

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Junkermann, forderte eine "menschenrechtsbasierte Asylpolitik" und den gleichzeitigen "politischen Willen zu einer strukturierten Einwanderungspolitik". Diese müsse für Menschen greifen, die in Deutschland leben und arbeiten wollen. Nötig sei in diesem Zusammenhang auch der ausdrückliche politische Wille, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. Junkermann äußerte sich verwundert darüber, dass der Aufschrei über die europäische Flüchtlingspolitik in der Gesellschaft nicht größer sei.

Abromeit: Jahreslosung lässt manche Probleme aushalten

Der evangelische Bischof Hans-Jürgen Abromeit (Greifswald) rief dazu auf, die Situation der bedrängten Christen im Nahen Osten verstärkt in den Blick zu nehmen. "Wir sollten für die Christen in den Ländern des Orients beten und unsere Regierungen auf die Not unserer Glaubensgeschwister hinweisen", erklärte Abromeit. Der von den Kirchen Europas zum Motto für das Jahr 2014 gewählte Bibelvers "Gott nahe zu sein, ist mein Glück" lasse manche Probleme aushalten, im Nahen Osten und in Deutschland. Gottes Nähe schenke auch die Kraft, denen beizustehen, die Hilfe brauchen.

Führende Kirchenvertreter in Nordrhein-Westfalen riefen zum Jahreswechsel die Gläubigen zu gesellschaftlichem Engagement auf. "Wir dürfen nicht aufhören, Anwalt der Schwachen zu bleiben", schreibt der rheinische Präses Manfred Rekowski in seiner Neujahrsbotschaft im Internet. Der Münsteraner Bischof Felix Genn rief dazu auf, das Evangelium stärker in die Gesellschaft hineinzutragen.

Die Kirche sei immer "im besten Sinne des Wortes Lobbyist für vergessene, benachteiligte und abgeschriebene Menschen", erklärte Rekowski weiter. In der Nachfolge Jesu trete sie für Recht, Frieden und Gerechtigkeit ein.