Tod nach Disco-Besuch: 21-Jähriger erhält über fünf Jahre Jugendstrafe

Tod nach Disco-Besuch: 21-Jähriger erhält über fünf Jahre Jugendstrafe
Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines 25-jährigen Streitschlichters in Kirchweyhe bei Bremen hat der Angeklagte eine Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten erhalten.

Die dritte große Jugendstrafkammer des Landgerichts Verden verurteilte den 21-Jährigen am Mittwoch wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Der Angeklagte habe aus nichtigem Anlass einen Unbeteiligten angegriffen, sagte der Vorsitzende Richter Joachim Grebe.

Die Kammer folgte mit ihrem Urteil annähernd der Staatsanwaltschaft, die sechs Jahre Haft gefordert hatte. Die Verteidigung hatte nach dem aufwendigen Indizienprozess mit rund 30 Verhandlungstagen und fast 50 Zeugen auf Freispruch plädiert. Der türkischstämmige Angeklagte hatte sich während des knapp sechsmonatigen Verfahrens in der Sache nicht geäußert. Während der Urteilsverkündung hörte er Grebe aufmerksam zu, zeigte äußerlich aber keinerlei Regungen.

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Das Gericht musste mit teils widersprüchlichen Zeugenaussagen klären, was vor knapp einem Jahr bei einer nächtlichen Busfahrt nach einem Disco-Besuch und am Ziel vor dem Bahnhof von Kirchweyhe geschah. Doch mit der Zeit habe sich das Chaos gelichtet, sagte Richter Grebe. Demnach entwickelte sich unter den mindestens angetrunkenen Fahrgästen im Bus nach einem Streit eine aggressive Stimmung, die der Angeklagte maßgeblich anheizte. Er habe sich per Handy "ein Rollkommando" zur Unterstützung an den Zielort bestellt und im Bus laut gedroht, einer werde diese Nacht nicht überleben. Auch die gegnerische Partei habe Unterstützer verständigt und die Situation durch ausländerfeindliche Bemerkungen angeheizt.

Mehrere Zeugen gaben übereinstimmend zu Protokoll, dass das spätere Opfer schlichtend eingriff und sagte, den Konflikt könne man vernünftig regeln. Doch beim Ausstieg eskalierte die Situation: Der Angeklagte habe wie ein Kung-Fu-Kämpfer mit ausgestrecktem Bein das Opfer in den Rücken getreten. Der 25-Jährige stürzte zu Boden und blieb bewusstlos liegen, wie es im Urteil heißt. Am Boden wurde er nochmals getreten, möglicherweise auch von weiteren Tatbeteiligten. Ein medizinisches Gutachten wies Gehirnblutungen nach, an denen das Opfer letztlich starb.

Kein Tötungsvorsatz

Einen Tötungsvorsatz sah die Jugendkammer zwar nicht, attestierte dem Verurteilten aber "schädliche Neigungen" wie Streitlust, Gewaltbereitschaft, Aggressionen und eine fehlende Selbstkontrolle. Nach einer Messerattacke sei er bereits einschlägig vorbelastet gewesen. Grebe erwähnte zudem eine zerrüttete Familie und eine gescheiterte Schullaufbahn. Aufgrund erheblicher Entwicklungsdefizite werde er nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Das Gericht sieht die Strafe zugleich als Sühne und als erzieherische Maßnahme. Sie sei zeitlich als Chance zu verstehen, persönliche Defizite aufzuholen. In der Haft könne der Angeklagte einen Schulabschluss nachholen sowie eine Berufsausbildung beginnen.

Rechtsextremisten wollten Tat politisch ausschlachten

Die Nebenklage sehe zwar Totschlag oder Mord, sagte Rechtsanwalt Uwe Hoffmann, der die Mutter des Opfers vertrat. Er fand die Argumentation des Gerichts aber folgerichtig und will keine Rechtsmittel einlegen. Wie die Verteidigung reagiert, blieb zunächst unklar.

Die Tod des 25-Jährigen in Kirchweyhe hatte auch deshalb bundesweit Aufsehen erregt, weil Rechtsextreme versuchten, die Tat politisch auszuschlachten und Hass gegen Ausländer zu schüren. Die Menschen im Ort wehrten sich dagegen mit Mahnwachen vor dem Bahnhof und Demonstrationen, an denen Tausende Bürger teilnahmen.