Zwei Flüchtlinge und ihre Heimat auf Zeit im Gemeindehaus

Wie es für ihn weitergehen wird, wenn die Zeit in Frankfurt vorbei ist, ist unklar.
Foto: Anika Kempf/evangelisch.de
Wie es für ihn weitergehen wird, wenn die Zeit in Frankfurt vorbei ist, ist unklar.
Zwei Flüchtlinge und ihre Heimat auf Zeit im Gemeindehaus
Wie wirkt es sich auf eine Gemeinde aus, wenn sie plötzlich zwei Gäste aus Afrika hat? Evangelisch.de hat die Frankfurter Wicherngemeinde bei dieser Erfahrung begleitet.
16.05.2014
evangelisch.de
Juliane Ziegler, Anika Kempf

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"Wir machen das!“- die Entscheidung, dass sie zwei Flüchtlinge aufnimmt, war schnell getroffen. Zuvor hatte die Gemeinde Cantate Domino zweiundzwanzig Afrikaner unterbringen. Das zog Kreise, andere Gemeinden wurden angefragt, ob sie auch Flüchtlingen Obdach gewähren könnten. Und so kam es, dass die Frankfurter Wicherngemeinde zwei Afrikanern über den Winter hinweg Unterschlupf bot.

Hassan und Richard, 21 und 30 Jahre alt. Der eine aus dem Niger, der andere aus Ghana. Deutsch sprechen sie kaum, ihr Englisch und Französisch ist nur schwer zu verstehen.  Neun Quadratmeter, zwei Liegen, ein Schrank. Eine Ecke der "Oase" wurde mit Vorhängen abgetrennt, in dem Raum des Gemeindehauses trifft sich normalerweise die Jungschar. Als die beiden Ende November vergangenen Jahres kamen, haben sie viel Aufregung in die Gemeinde gebracht, erzählt Katja Föhrenbach, Pfarrerin der Wicherngemeinde. "Doch dann wurde es völlig alltäglich, sie im Flur zu treffen, kurz zu plaudern."

Deutschunterricht, Spieleabende, politische Vernetzung

Kurz nach der Ankunft von Richard und Hassan gründete die Gemeinde einen Unterstützerkreis. Etwa 30 Menschen boten ihre Hilfe an: Die pensionierten Lehrer Klaus Weißbecker und seine Frau, die den beiden zu Beginn einige deutsche Worte beigebracht haben. Drei Schüler, die in ihrer Schule Kuchen verkauft  haben und somit zum Beispiel Fahrkarten für Hassan und Richard finanzieren konnten. Friedhelm Scheu, der Spieleabende organisiert, um den beiden die Zeit zu vertreiben. Edith Wolf, die mit Hassan und Richard Kleidung kauft. Wolf-Gunter Brückmann Friedeborn, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit, um die politische Vernetzung mit Organisationen oder Vereinen kümmert und Flyer entworfen hat. Seine Frau, die mit den Afrikanern Spaziergänge durch Frankfurt unternimmt. Anja Drönner, eine Nachbarin der Gemeinde, die den Deutschunterricht übernommen hat. David Damoah, Pastor der ghanaischen Gemeinde in Frankfurt, der sich als wichtiger Ansprechpartner für Richard und Hassan entwickelt.

Und all die anderen, die Lebensmittel, Kleidung oder Geld gespendet haben, den zweien durch den Alltag geholfen haben, oder an den Planungen beteiligt waren. "Für mich ist es selbstverständlich, schon wegen meines christlichen Glaubens, dass ich Menschen in Not Obdach gebe", erklärt Klaus Weißbecker seine Motivation.

Hassan und Richard kamen in Italien an. Nach der "Dublin-Regelung" dürfen sie nur dort Asyl beantragen - in dem Land, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben. Allerding: In Italien ist die Arbeitslosigkeit hoch, das Land hat kaum Kapazitäten, auf diese Zahl an Flüchtlingen zu reagieren. Deshalb ziehen viele weiter in den Norden in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. So auch Hassan und Richard. Doch sie wurden enttäuscht: Eine Arbeitserlaubnis für Deutschland bekamen sie nicht.

Zurück in den Süden

"Migration und der Umgang mit Flüchtlingen ist nun konkret geworden. Für viele von uns waren das nur Meldungen in den Nachrichten ", erklärt Katja Föhrenbach. Die Wicherngemeinde hat viel getan für die beiden Afrikaner, hat Verantwortung übernommen, Zeit, Geld, Energie eingebracht. Doch außerhalb ihrer Möglichkeiten stand, dafür zu sorgen, dass sie dauerhaft hier bleiben können.

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Mitte April mussten Hassan und Richard zurück nach Italien fahren. Der eine nach Sizilien, der andere nach Neapel. Dort haben sie Kontakte, dort können sie vielleicht arbeiten, sie hoffen darauf, als Erntehelfer Jobs zu finden. Fast fünf Monate lang hat die Wicherngemeinde Hassan und Richard Unterschlupf geboten, hat den zweien bei der Organisation der Abreise geholfen, hat sie mit einem Gottesdienst verabschiedet. "Für uns ist es sehr schwierig, dass wir ihnen nicht weiter helfen konnten, dass sie fahren müssen. Natürlich möchte jeder ein schönes Ende der Geschichte haben", sagt Katja Föhrenbach. "Aber ich bin stolz darauf, was wir getan haben."

Was macht diese Erfahrung mit einer Gemeinde, wie geht sie mit einer solchen Situation um, was bleibt? Anika Kempf und Juliane Ziegler haben die Gemeinde über die Zeit hinweg begleitet:

Flüchtlinge in der Wicherngemeinde in Frankfurt - Teil 1

Flüchtlinge in der Wicherngemeinde in Frankfurt - Teil 2

Flüchtlinge in der Wicherngemeinde in Frankfurt - Teil 3