TV-Tipp des Tages: "Ein Tick anders" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Ein Tick anders" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Ein Tick anders", 3. Juli, 22.45 Uhr im Ersten
Sie habe einen "Schluckauf im Gehirn", beschreibt Eva ihre Krankheit, die dazu führt, dass sie in Stressmomenten mit Schimpfwörtern um sich wirft und ihr Gesicht zu unkontrollierten Grimassen verzieht.

Filme über Menschen mit Behinderung sind immer eine Gratwanderung zwischen Mitgefühl und Vorführung. Gerade das Tourette-Syndrom stellt eine große Versuchung dar, sich über die Betroffenen lustig zu machen. Mit "Vincent will Meer” haben Ralf Huettner und Florian David Fitz gezeigt, wie man die Geschichte eines Tourette-Kranken als sensible Komödie erzählen kann. Gleiches ist Andi Rogenhagen (Buch und Regie) mit "Ein Tick anders" gelungen. Es dauert eine Weile, bis der Film zur Sache kommt, weil Rogenhagen erst mal mit Hilfe einer Vielzahl episodisch erzählter amüsanter Szenen beschreibt, wie seine 17jährige Heldin Eva lebt. Sie habe einen "Schluckauf im Gehirn", beschreibt sie ihre Krankheit, die dazu führt, dass sie in Stressmomenten mit Schimpfwörtern um sich wirft und ihr Gesicht zu unkontrollierten Grimassen verzieht.

Die Millionen

Dass diese Szenen nie geschmacklos wirken, ist vor allem der jungen Hauptdarstellerin zu verdanken: Die Schweizerin Jasna Fritzi Bauer ist ein Ereignis und wirbelt mit einer Turbulenz durch den Film, die an Josefine Preuß erinnert. Wenn sie Polizisten mit "Heil Hitler" anredet und Männer zur Begrüßung auf ihre primären Geschlechtsmerkmale reduziert, ist das nie peinlich oder klamaukhaft, sondern immer unglaublich komisch.

Gemeinsam mit Eva lernt man auch ihre etwas skurrilen Eltern kennen: Die Mutter (Viktoria Trautmannsdorff) trägt das Haushaltsgeld mit Vorliebe in einen Esoterikladen, der Vater (Waldemar Kobus) ist ein Autoverkäufer mit Rauschebart. Dann gibt es noch eine schräge Oma (Renate Delfs), die mit fetten Chinaböllern einen Staubsauger in die Luft jagt und Blätter am Baum bunt anmalt. Die Krönung dieser ganz normalen Familie ist Onkel Bernie (Stefan Kurt), ein verkrachter Musiker. Als der Vater seinen Job verliert und die Bank mit der Kündigung des Kredits droht, will Eva die Familie retten, scheitert aber bei sämtlichen Vorstellungsgesprächen, weil sie die Damen und Herren (unter anderem Nora Tschirner) stets erst mal beschimpft. Auch der Versuch, mit Bernies Band an einer Castingshow teilzunehmen, ist ein voller Misserfolg. Mehr Glück haben die beiden, als sie eine Bank ausrauben wollen: Durch Zufall finden sie raus, dass der Direktor (Falk Rockstroh) Dreck am Stecken hat. Tatsächlich gelingt es ihnen, den Mann um 1,7 Millionen Euro zu erleichtern. Die Geldtasche deponiert Eva bei der Oma, aber die stirbt bald darauf; und die Tasche ist weg.

"Ein Tick anders" ist nach "Die Frau, die an Dr. Fabian zweifelte" (2002) erst Rogenhagens zweiter Spielfilm; für den Dokumentarfilm "The Final Kick" (1995) bekam er den Grimme-Preis. Jasna Fritzi Bauer wurde für die Rolle der Eva mit mehreren Nachwuchspreisen ausgezeichnet. Seit den Dreharbeiten engagiert sie sich als Schirmherrin für die Deutsche Tourette-Gesellschaft.