Streit um Weltkriegs-Denkmal: Retten oder verrotten lassen?

Wie sollen Kirchengemeinden mit überwachsenen, verwitterten und verfallenden Kriegerdenkmälern umgehen? Ein Fall in der Berliner Gemeinde Biesdorf zeigt, welche Diskussionen da ausgetragen werden.
Foto: Getty Images/iStockphoto/charles taylor
Wie sollen Kirchengemeinden mit überwachsenen, verwitterten und verfallenden Kriegerdenkmälern umgehen? Ein Fall in der Berliner Gemeinde Biesdorf zeigt, welche Diskussionen da ausgetragen werden.
Streit um Weltkriegs-Denkmal: Retten oder verrotten lassen?
In der Ortsteilgemeinde Biesdorf im Großbezirk Berlin Marzahn-Hellersdorf steht seit 1922 ein Kriegerdenkmal. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Obelisk vernachlässigt, heute ist das Denkmal verfallen. Ein Ehepaar aus der Gemeinde will das Denkmal restaurieren - aber um die Pläne gibt es Streit. Denn alle anderen, vom Gemeinderat bis zum Heimatverein, sind dagegen.

Vermutlich war es ein festlicher Moment, als der Obelisk vier Jahre nach Weltkriegsende, genau am 18. Juni 1922, vom Biesdorfer Pfarrer und Superintendenten Georg Plath geweiht wurde. Das Kriegerdenkmal steht für 86 gefallene Dorfbewohner, von denen 66 evangelische Gemeindeglieder waren. Es wurde aus Spenden der Biesdorfer Bevölkerung finanziert, so hat es der Diplom-Straßenbauingenieur Helmut Lessing, selbst ein Ur-Biesdorfer, in langwierigen Archivrecherchen herausgefunden.

Das Kriegerdenkmal ist heute in einem bedauernswerten Zustand. Der auf einer Kugel sitzende Adler und die Umfriedungsketten sind verschwunden, die mit Gold unterlegten Inschriften aus Witterungsgründen kaum mehr lesbar.

Erst vor drei Jahren kam Bewegung in die Sache. Ein Verein um das evangelische Ehepaar Helmut und Susanne Lessing bemüht sich seitdem um die originalgetreue Restaurierung des Obelisken. Aber nicht jeder in der Gemeinde ist damit einverstanden. Vor allem geht es um die Frage, ob der Adler auf der Spitze nun ein preußisch-militaristisches oder ein zutiefst christliches Symbol ist.

Denkmal gereinigt und gesichert, aber nicht restauriert

"Wir haben als Biesdorfer Bürger eine gewisse Verpflichtung, das Ansinnen unserer Vorfahren zu bewahren. Das Denkmal nur in seiner originalen Form kann diese Erinnerungs- und Ehrungsfunktion wahrnehmen. Beraubt man dem Denkmal seinen Schmuck, wird man dieser Funktion nicht gerecht", sagt Helmut Lessing. Zusammen mit seiner Frau hat er vor drei Jahren die Bürgerinitiative zur originalgetreuen Restaurierung gegründet. Das Denkmal steht allerdings nicht auf öffentlichem, sondern auf Kirchenland, genauer im Schatten der Gnadenkirche auf dem Alt-Biesdorfer Anger. Auf der viel befahrenen Bundesstraße fährt man schnell daran vorbei, ohne es zu bemerken.

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Im dortigen Gemeindekirchenrat fand die Initiative der Lessings allerdings nicht so richtig Gehör.
"Einmal wurden wir zur GKR-Sitzung eingeladen und hatten Redezeit vereinbart. Aber dazu ist es gar nicht richtig gekommen. Wir wurden gefragt, ob wir auch andere Vorschläge haben. Für uns kommt aber nur die vollständige Restaurierung in Frage. Und dann wurden wir verabschiedet", erinnert sich Susanne Lessing.

Zur Denkmalfrage wurde auch eine Arbeitsgruppe auf Kirchenkreisebene eingerichtet. Die habe aber wenig Konstruktives zustande gebracht, kritisieren die Lessings, letztlich auch, weil sich der Gemeindekirchenrat verweigert habe.

Die Biesdorfer Gemeinde sieht das anders. Man bedankt sich bei den Lessings und ihrer Initiative, dass sie auf den Verfall aufmerksam gemacht haben. Nun aber der Kirche mangelnde Dialogbereitschaft oder gar Untätigkeit vorzuwerfen, weist Pfarrer Wolfram Geiger zurück. Er liest aus dem Protokoll vor, das alle bisherigen Aktivitäten auflistet: Die Instandsetzung des Gedenksteins umfasste Fundament und Sockel, Herstellung der Standfestigkeit des Fundaments, Entfernen von Bewuchs, Ausbessern von Fehlstellen, Standsicherheit der Granitstufen.

Dann musste man die Lage korrigieren, ein bisschen neu verfugen. Der Obelisk selbst wie auch die Schriftfelder waren zu reinigen. Der Zustand der Spitze musste geprüft werden, damit keine Feuchtigkeit eindringen kann. Das Buschwerk drum herum wurde zurück geschnitten, die Schüttung zwischen den Steinen und auf dem Weg wurde erneuert. Auch neuer Rollrasen kam dazu.

Gemeinderat, Pfarrer, Lokalpolitik und Heimatverein wollen keine Restaurierung

Der Kirchengemeinde kann man also keine Untätigkeit vorwerfen. Die Bürgerinitiative um Helmut Lessing möchte aber mehr, denn sie sieht den Obelisken als ur-evangelisch.de Idee an. Schließlich sei er von der Gemeinde damals aufgestellt worden. Das Kriegerdenkmal als christliches Monument darzustellen, hält Pfarrer Geiger dagegen für Schönrederei. Vor allem die ehemalige Spitze, Adler auf Weltkugel, erzeugt Unbehagen.

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"Der Adler ist ein Herrschaftssymbol. Das ist immer eine politische Aussage, ein Denkmal in den Urzustand zu versetzen, wie es 1922 gebaut worden ist, und diese Aussage wollen wir nicht unterstützen", erklärt Pfarrer Geiger. "Der Kriegerverein hatte einen Antrag gestellt an den sozialdemokratisch regierten Bezirk Lichtenberg, um so einen Gedenkstein aufzustellen. Der hat es abgelehnt und dann ist der Kriegerverein an die Kirchengemeinde herangetreten. 1922 ist dazu vom GKR ein Beschluss gefasst worden. Das ist nicht ur-christliches oder ur-kirchliches Anliegen gewesen", erklärt der Gemeindetheologe.

Biesdorf gehört heute nicht mehr zu Lichtenberg, sondern zum eigenständigen Großbezirk Marzahn-Hellersdorf. Und der wird nach langer PDS/Linken-Dominanz aktuell von der SPD regiert. Stefan Komoß ist der regierende Bezirksbürgermeister. Auch er spricht sich gegen eine originalgetreue Wiederherstellung aus - wie auch die bezirkliche Kommission Gedenkstätten, der Kulturausschuss der Bezirksverordnetenversammlung, der Heimatverein und das Heimatmuseum Biesdorf.

"Es gibt die Gefahr, dass man revanchistische, kriegerische, rechtsextremistische Haltungen und Intentionen mit Weltkugel und Adler zum Ausdruck bringen könnte. Eine Weltkugel mit einem Adler oben drauf ist Symbol dessen, dass man mit Hilfe kriegerischer Mittel eine expansive Politik verfolgt", erklärt SPD-Bürgermeister Komoß.

Der Adler als zutiefst christliches Symbol?

Diese Einschätzung aber weist das Ehepaar Lessing weit von sich. Weder wollen sie sich mit Ihrer Initiative in eine rechte Ecke stellen lassen, noch halten sie es für wahrscheinlich, dass ein wiederhergestelltes Kriegerdenkmal nun zur Pilgerstätte für Alt- und Neonazis werden könnte.

Susanne Lessing ist mittlerweile aus Protest und Ärger aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Ihr Mann aber will auch innerhalb der Gemeinde weiter kämpfen. Dass das Denkmal jetzt gesichert ist, geht ihm nicht weit genug. Auch soll sich bereits eine Schülergruppe den Kopf über eine Neugestaltung des Denkmals zerbrochen haben. Aber das kommt für ihn erst recht nicht in Frage.

"Mit wem soll denn dieser Umbau abgestimmt werden? Mit den Nachkommen? Mit dem Gemeindekirchenrat? Mit politischen Parteien? Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Wahl eines Adlers als zutiefst christliches Symbol, der die Göttlichkeit und der die Unsterblichkeit verkörpert, im Sinne der Initiatoren des Denkmales stand. Der Adler, der auf dem Biesdorfer Denkmal stand, war eben kein kaiserlicher Adler, sondern ein Adler der Weimarer Republik, den wir übrigens jetzt auch in modifizierter Form als Bundesadler haben", erklärt Helmut Lessing.

So beschäftigt der Erste Weltkrieg auch 100 Jahre danach noch die Menschen in Marzahn-Hellersdorf, Gemeindeteil Biesdorf. Egal, wie es ausgeht, eines ist gewiss: Es wird vielleicht kein einvernehmliches, aber immerhin ein friedliches Ende sein. An die Toten der Urkatastrophe des Kontinents mahnt das Denkmal so oder so.