Historiker Wolffsohn kritisiert Aktion des Simon-Wiesenthal-Zentrums

Historiker Wolffsohn kritisiert Aktion des Simon-Wiesenthal-Zentrums
Der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn hat die vom Simon-Wiesenthal-Zentrum initiierte Plakataktion zur Aufspürung von noch lebenden NS-Kriegsverbrechern kritisiert.

Ein damit verbundenes "Kopfgeld" für Nazi-Verbrecher sei geschmacklos, sagte Wolffsohn am Dienstag im Berliner Deutschlandradio Kultur. Viel wichtiger sei es, dass eine solide und intensive Aufarbeitung der NS-Verbrechen weitergehe.

###mehr-artikel###Das Simon-Wiesenthal-Zentrum hat am Dienstag eine nach eigenen Worten "beispiellose" Plakataktion in großen deutschen Städten gestartet. Die Initiative steht unter dem Motto "Spät. Aber nicht zu spät! Operation Last Chance II". Informationen, die zur strafrechtlichen Verfolgung von bislang nicht verurteilten NS-Kriegsverbrechern führen, sollen mit bis zu 25.000 Euro belohnt werden.

Die Aktion soll den Angaben zufolge anknüpfen an das Münchner Urteil gegen John Demjanjuk, der Wachmann im Lager Sobibor war. Demjanjuk war 2011 wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der verurteilte frühere SS-Wachmann starb im vergangenen Jahr im Alter von 91 Jahren in einem bayerischen Pflegeheim.

Wolffsohn fügte hinzu, die Plakataktion "Spät. Aber nicht zu spät!" bringe überhaupt nichts, sondern rufe eher Mitleid mit den betagten Kriegsverbrechern hervor. Ähnlich sei dies auch im Prozess gegen Demjanjuk der Fall gewesen, kritisierte der frühere Professor an der Münchner Bundeswehr-Universität scharf. Zudem sei ein Aufwiegen der NS-Verbrechen mit Zahlen absurd. "Ich finde es geradezu pietätlos und schamlos: 25.000 Euro für Schwerstverbrecher", so Wolffsohn. Mit einer moralisch intensiven Aufarbeitung habe das nichts zu tun. "Ich finde das Ganze geschmacklos."

###mehr-links###Wolffsohn übte insgesamt heftige Kritik am Simon-Wiesenthal-Zentrum. Dort wehe nicht der Geist von Simon Wiesenthal, sondern der "Geist von Wichtigtuerei". Die jüdische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Los Angeles war in diesem Jahr schon einmal in die Kritik geraten. Sie hatte den Publizisten Jakob Augstein wegen Israel-kritischer Texte auf eine Liste der zehn weltweit schlimmsten Antisemiten gesetzt. Die Erwähnung des Verlegers auf der Liste war vom Deutschen Journalisten-Verband und dem Zentralrat der Juden als ungerechtfertigt kritisiert worden. Benannt ist das Zentrum nach dem als "Nazi-Jäger" bekannten österreichischen Holocaust-Überlebenden Simon Wiesenthal (1908-2005).