Gefährdetes Wunder

Schwangere Frau legt die Hände auf ihren Bauch.
Foto: Getty Images/Jupiterimages
"Wenn die Frauen sich gut begleitet fühlen, gibt es meist sehr wenig Komplikationen", sagt Hebamme Magdalena Habrik.
Gefährdetes Wunder
Weil es an Personal mangelt, finden Schwangere oft nur schwer eine Hebamme
Für Schwangere ist es oft schwer, eine Hebamme zu finden - auch, weil immer mehr Kreißsäle in Kliniken geschlossen werden. Die Geburtshilfe stecke in der Krise, beklagen Fachverbände. Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht.
07.03.2017
epd
Susanne Schröder und Dirk Baas

Gut 700 Kindern hat Magdalena Habrik schon auf die Welt geholfen. "Der Moment, wenn man ein Kind willkommen heißen darf, ist immer noch großartig", sagt die Hebamme. Eine Geburt ist für sie mehr als ein medizinischer Vorgang. "Es ist die Transformation von Leben", sagt die 42-Jährige. Für sie ist eine Geburt noch immer "ein Wunder".

Vor zehn Jahren hat die gelernte Krankenschwester die Hebammenausbildung absolviert. Nach vier Jahren in der Geburtshilfe am Klinikum Landsberg wechselte sie ins Team des Münchner Geburtshauses. In den wohnlichen Räumen bringen im Jahr rund 240 Frauen ihre Kinder zur Welt. "Für eine gute Geburt braucht es Ruhe, Intimität, einen Raum des Wohlfühlens, Empathie, Vertrauen - und ein Gerät, um die Herztöne des Kindes abzuhören", zählt Habrik auf.

"Wir können heute viele Situationen beherrschen und haben deshalb eine viel niedrigere Sterblichkeit von Müttern und Kindern"

Die Hebammenkunst ist alt. Traditionell ist das Wissen um die "Leopold'schen Handgriffe", mit denen Hebammen den Bauch der Schwangeren tasten: Wie groß ist das Kind, wie liegt es, wie viel Fruchtwasser hat es noch? "Wir sehen mit den Händen und bekommen dadurch ein klareres Bild als der Ultraschall", erklärt Magdalena Habrik.

Dennoch seien 80 Prozent des Berufs modernes Medizinwissen: "Wir können heute viele Situationen beherrschen und haben deshalb eine viel niedrigere Sterblichkeit von Müttern und Kindern." "Wenn die Frauen sich verstanden und gut begleitet fühlen, gibt es meist sehr wenig Komplikationen", sagt die Hebamme.

Die hohe Zahl von Anfragen im Geburtshaus zeigt, dass sich viele Schwangere genau diese persönliche Betreuung wünschen. Doch Habrik und ihre Kolleginnen können gar nicht alle Frauen aufnehmen, die gerne zu ihnen kommen würden.

Hebammen im ländlichen Raum geben auf

Aber auch an vielen Münchner Kliniken heißt es: wegen Überfüllung geschlossen. Und immer mehr Kreiskrankenhäuser schließen ihre Geburtsstationen wegen Personalmangel ganz. Jüngstes Beispiel Bad Tölz: Mitte 2017 soll hier Schluss sein. Frauen aus der Region, bei denen die Wehen einsetzen, müssen dann weite Strecken bis nach Miesbach, Wolfratshausen oder Weilheim zurücklegen.

Der Hebammenmangel kommt nicht von ungefähr: Die obligatorische Berufshaftpflicht kostet mittlerweile 6.843 Euro im Jahr - 2004 waren es nur 1.350 Euro. Als Folge werfen immer mehr selbstständige Hebammen gerade im ländlichen Raum das Handtuch, und der potenzielle Nachwuchs überlegt sich seine Berufswahl zweimal - zumal der Frauenberuf mit 24-Stunden-Bereitschaftsdienst nicht gerade familienfreundlich ist.

All diese Probleme kennt man natürlich beim Deutschen Hebammenverband in Karlsruhe. Der hat eine Deutschlandkarte ins Internet gestellt, auf der die seit 2015 geschlossenen oder von Schließung akut bedrohten Kreißsäle dargestellt sind: 48 Kliniken finden sich hier wieder.

Blickt man weiter zurück in die Vergangenheit, dann stellt sich der Schwund noch dramatischer dar. Laut Hebammenverband gab es 1991 noch 1.186 Krankenhäuser, in denen Geburten erfolgten. 2010 waren es noch 807. "Das entspricht einem Rückgang der Krankenhäuser mit Entbindung um rund 32 Prozent", sagt Sprecherin Nina Martin.

Auch die Geburtshäuser könnten diese Versorgungslücken nicht schließen: "Die außerklinische Geburtshilfe umfasst aktuell weniger als zwei Prozent aller Geburten in Deutschland", erläutert Martin. Zusätzliches Problem: "Auch bei den Geburtshäusern verzeichnen wir Schließungen: 2010 gab es noch 135 sogenannte Hebammengeleitete Einrichtungen, 2013 noch 122."

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft in Berlin bestätigt die Schließung von immer mehr Kreißsälen. Es werde immer schwieriger, Hebammen zu finden, ganz besonders in ländlichen Regionen, sagt ein Sprecher. Er regt an, den Erhalt von Geburtshilfeabteilungen in Krankenhäusern mittels des sogenannten Sicherstellungszuschlag zu versuchen. Den können bedrohte Kliniken von den Krankenkassen bekommen, wenn sie nicht kostendeckend arbeiten können. Künftig sollen bis zu 70 Kliniken diese Gelder nutzen können: "Wir als Krankenhausverband werben dafür, den Sicherstellungszuschlag mit Blick auf die Geburtshilfe auszuweiten", so der Sprecher.