Frauenmorde in Bayern deutlich angestiegen

Tote Frau
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Die Täter sind nicht unbedingt der Partner, jedoch ist eine psychische Erkrankung des Täters der höchste Risikoindikator für Femizide.
Erschlagen, erstochen, erwürgt
Frauenmorde in Bayern deutlich angestiegen
Wenn Frauen zu Mordopfern werden, weil sie Frauen sind, nennen Experten das Femizid. In Bayern sind die Zahlen seit 2019 gestiegen, die Gründe dafür vielfältig. Die Täter kommen meist aus dem "sozialen Nahraum", sind also Partner oder Familie.

Am Anfang war es Zuneigung, Verliebtheit, Liebe. Doch allmählich zog das Grauen in die Partnerschaft ein. Es kam zur Gewalt, schließlich zum Mord. Im Jahr 2022 wurden 40 Frauen nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) in Bayern Opfer eines Femizids, also von geschlechtsbezogener Gewalt mit Todesfolge. Insgesamt21 Femizide wurden 2019 erfasst. Seitdem sind die Zahlen gestiegen: 2020 wurden 47 und ein Jahr später 54 Frauen vorsätzlich getötet. Zahlen für 2023 gibt es laut LKA noch nicht.

Gewaltdelikte aus Frauenhass sind vor allem im "sozialen Nahraum" ein Thema. Zwar werden fünfmal mehr Männer zum Mordopfer als Frauen. Aber: "56 Prozent aller Tötungsdelikte an Frauen werden von Intimpartnern oder Familienmitgliedern begangen", sagt Kriminalhauptkommissar Ludwig Waldinger vom LKA. Dabei beruft er sich auf eine aktuelle Analyse des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Oftmals ist die Tötung der Gipfel eines lange schwelenden Konflikts.

Die meisten Femizide, davon ist laut Waldinger auszugehen, betreffen Partnerinnen und Ex-Partnerinnen in heterosexuellen Beziehungen. Die Gefahr steigt, wenn die Frau deutlich jünger als der Täter ist. Auch Arbeitslosigkeit des Täters erhöht das Risiko. Ebenso haben unverheiratete Frauen ein höheres Risiko. Schwangerschaften sind ebenfalls ein Risikofaktor. Wobei der Täter nicht unbedingt der Partner sein muss. Vor gut einem Jahr erstach ein junger Mann aus Nordhessen die schwangere Lebensgefährtin seines Vaters.

Paare können auch dann an einen Grenzpunkt gelangen, wenn einer der beiden unter einer schwereren psychischen Erkrankung leidet. Eine österreichische Analyse von Gerichtsakten aus der Zeit von 2016 bis 2020 identifizierte die psychische Erkrankung des Täters als höchsten Risikoindikator für Femizide. Ebenso Alkohol- oder Drogenmissbrauch von Opfer oder Täter, sagt Waldinger und beruft sich auf Erkenntnisse des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen.

Ein unausrottbares Vorurteil besagt, dass vor allem Männer aus niedrigeren Bildungsschichten Femizide begehen. Falsch, sagt Waldinger: "Geschlechtsbezogene Gewalt tritt in allen Bildungs-, Einkommens- und Altersgruppen auf." Vielmehr sind Männer, die Femizide begehen, Untersuchungen zufolge sogar weniger sozial benachteiligt als Täter anderer Tötungsdelikte. Beim Gros der insgesamt 42 Tatverdächtigen von 2022 in Bayern handelt es sich in zwei Drittel der Fälle um deutsche Staatsangehörige.

Dass es vor einem Femizid zu massiven Grenzüberschreitungen und brachialer Gewalt kommt, ist laut Waldinger eher die Regel denn die Ausnahme: "Frauentötungen durch Lebenspartner oder Ex-Partner werden allgemein als Fortsetzung von Gewalthandlungen betrachtet, die bereits vor dem Femizid die Beziehung prägten." Insgesamt aber wiesen Männer, die Femizide begehen, keine höhere Kriminalitätsbelastung auf. Im Vergleich zu Tätern anderer Tötungsdelikte hätten sie seltener eine Vorstrafe.

Wissenschaftler des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens befassen sich aktuell in einer Studie mit Femiziden in Deutschland. Dabei soll es unter anderem um den Einfluss empfundener Kränkungen und Zurückweisungen gehen. "Noch befinden wir uns in der Aktenanalyse", erläutert Kriminologin Paulina Lutz. Im Dezember wurden bei einer Fachtagung in Dresden vorläufige Ergebnisse präsentiert. Sie sollen jedoch noch nicht öffentlich werden.

Gewalt an Frauen bis hin zu Femiziden durch Täterarbeit zu verhindern, dafür engagiert sich in München das Informationszentrum für Männer (MIM). Bis zu acht Männer, die durch häusliche Gewalt auffielen, nehmen an einem 26-stündigen Gruppenprogramm teil. Soweit möglich, werden die Partnerinnen über die Teilnahme ihrer Männer informiert. Benachrichtigt werden sie vor allem beim Programmabbruch. Das MIM versuche "Fälle von Gewalt zu vermeiden, aber ausschließen können wir nichts", sagt Andreas Schmiedel.

Um häuslicher Gewalt vorzubeugen, ist laut Schmiedel eine gute Vernetzung zwischen Organisationen, die Frauen unterstützen, und Initiativen, die Opferschutz durch Täterarbeit leisten, wichtig. Der Anti-Aggressions-Trainer würde sich außerdem mehr Präventionsarbeit zu häuslicher Gewalt in Schulen wünschen. Schließlich bräuchte es mehr Sensibilität in Bezug auf das Thema "Femizide": "Ein Femizid ist ein Frauenmord und kein Beziehungsdrama."