Maier für mehr Engagement gegen Fake News

Ein Mann sitzt am Laptop und hält ein Smartphone mit in der Hand
Monika Skolimowska/dpa
Thüringens Innenminister Georg Maier zum Kampf gegen Falschmeldungen.
Falschmeldungen im Netz
Maier für mehr Engagement gegen Fake News
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) möchte Falschmeldungen im Internet mit Künstlicher Intelligenz (KI) bekämpfen. Diese Technik könnte Fotos oder Texte automatisiert im Netz untersuchen, sagte Maier dem Evangelischen Pressedienst (epd). Würden diese als gefälscht identifiziert, könnten die Bilder und Texte automatisch mit einem Warnhinweis "Achtung - nicht echt" verknüpft werden. Insgesamt plädiert der Innenminister für mehr Regulierung im Netz.

epd: Herr Maier, welche aktuellen Falschmeldungen kursieren denn so über Sie?

Georg Maier: Da kursiert aktuell die Unterstellung in Netz und Chatgruppen, ich würde die Verfassung ändern wollen, um einen AfD-Ministerpräsidenten in Thüringen zu verhindern. Ausgangspunkt war nicht einmal eine bewusste Falschmeldung, sondern nur eine unglückliche, aber unzutreffende Interpretation meiner Aussagen gegenüber einer überregionalen Zeitung. In einem Interview hatte ich ohne Bezug zur AfD lediglich eine Änderung der Landesverfassung angeregt, um die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten klarer zu fassen. Das ist etwas anderes.

Aber viral gegangen ist dann nur die Missinterpretation?

Maier: Ja. Es gab massive Beleidigungen und Bedrohungen aus dem Internet. Das wurde tausendfach geteilt - und zwar bis in Kreise hinein, in denen man das gar nicht vermuten würde. Ich erinnere mich an eine Begebenheit vor einigen Wochen in Schleiz, als eine seriös wirkende ältere Dame zunächst um ein Foto mit mir bat. Als das Bild dann im Kasten war, sagte sie voller Entrüstung: "So, jetzt habe ich ein Foto mit dem Verbrecher, der mit undemokratischen Mitteln den AfD-Ministerpräsidenten verhindern will."

Konnten sie das Missverständnis vor Ort aufklären?

Maier: Ich habe es versucht. Aber daran war die Dame offenkundig nicht interessiert. Man sieht daran, dass Fake News inzwischen in Bevölkerungsschichten hineinreichen, von denen man niemals denken würde, dass sie nur noch in ihren Blasen etwa bei Facebook unterwegs sind. Aber so ist es wohl.

Ist das typisch, dass man an einer Erklärung oder Erwiderung - wie in Ihrem Fall geschildert - gar nicht interessiert ist?

Maier: Ja, wenn die Falschmeldung ins Weltbild passt, dann will man Erklärungen gar nicht hören. Und für die Verächtlichmachung auf Basis dieser Falschmeldungen sorgen dann auch Printerzeugnisse etwa der AfD. Da wurde ich neulich mit einem durch Künstliche Intelligenz (KI) aggressiv verformten Gesicht abgebildet. So wird dann in der Gesamtheit das Bild des Bösen in Person aufgebaut. Aber ich will jetzt eigentlich gar nicht so sehr über mich reden.

Nein, aber anhand des Beispiels lassen sich die Mechanismen gut nachvollziehen. Aber generell nachgefragt: angesichts der Masse von Falschbehauptungen in Social Media, Internet und alternativen Presseerzeugnissen - sind wir dem schutzlos ausgeliefert?

Maier: Insbesondere die AfD fährt diese Strategie sehr erfolgreich, die sozialen Medien mit Faken News zu fluten. Das ist für deren eigene Blase wichtig. Die müssen so lange gefüttert werden, bis sie die Botschaften endlich glauben. Und das funktioniert ja auch. Durch die ständige Beschallung mit den gleichen Falschmeldungen kommen auch Menschen ins Zweifeln, die eher zufällig in den Filterblasen landen. Stimmt das, was etwa über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk erzählt wird, fragen sie sich vielleicht. Und man redet mit dem Freund, dem Arbeitskollegen oder Vereinskameraden. Und die haben dieselben Botschaften erhalten und zweifeln auch schon. Dann wird es gefährlich.

"Im Zweifelsfall sollten wir uns auch nicht davor scheuen, Hass, Hetze und extremistische Inhalte im Netz anzeigen oder einer der jetzt eingerichteten Meldestellen zu informieren."

Aber was hilft?

Maier: Zunächst einmal hilft eine gesunde Skepsis, wenn man im Netz unterwegs ist. Viele der Verschwörungserzählungen sind ja auf den ersten Blick schon völlig abstrus. Denken wir nur an die Behauptung, dass in den Regierungszentralen dieser Welt bestimmte Eliten Ritualmorde an Kindern begehen sollen. Anderes ist nicht so leicht zu erkennen. Was wir daher fördern müssen, ist Medienkompetenz. Oft reicht es schon, wenn wir uns Seiten, die wir bisher nicht kennen, kritisch betrachten. Und im Zweifelsfall sollten wir uns auch nicht davor scheuen, Hass, Hetze und extremistische Inhalte im Netz anzeigen oder einer der jetzt eingerichteten Meldestellen zu informieren.

Dafür müsste aber gewährleistet werden, dass die Urheber solcher Botschaften dann tatsächlich auch ermittelt werden können.

Maier: Ja. Das Netz ist ja angelegt als ein anonymer Raum und wird auch als solcher von vielen Nutzern verteidigt. Aber Strafverfolgung zu Profilen, bei denen nichts hinterlegt ist, läuft ins Leere. Daher plädiere ich schon dafür, eine Identitätspflicht in den sogenannten sozialen Medien einzuführen.

Kommunikation nur noch mit Klarnamen?

Maier: Nein. Aliasnamen könnten bleiben. Ich bin auch nicht dafür, dass sich jemand immer als Person zu erkennen geben muss. Aber wenn Gesetze überschritten werden, sollten die Täter dann auch zur Rechenschaft gezogen werden können. Der Klarname sollte also für solche Fälle hinterlegt und etwa der Polizei zugänglich sein.

Die Entwicklungen im Bereich der KI haben das Problem nochmal verschärft. Wie kann man gegen diese Form von Desinformation wirkungsvoll vorgehen? Geht das überhaupt?

Maier: Wir müssen KI mit KI bekämpfen. Eine wehrhafte Demokratie sollte etwa versuchen, dem entgegenzuwirken, indem wir KI einsetzen, um KI-generierte Falschinformationen zu entlarven. Würde die KI ein Foto untersuchen und als gefälscht identifizieren, könnte es dieses generierte Bild automatisch mit einem Warnhinweis "Achtung - nicht echt" verknüpfen. Das würde auch mit Fake News funktionieren. Wenn uns das gelänge, könnte der Meinungsaustausch in den sozialen Medien wieder ein Stück weit verantwortungsvoller werden.

"Das Problem wird sein, die Plattformanbieter zum Mitmachen zu verpflichten."

Was braucht es dafür?

Maier: Da müssten die Netz- und Plattformbetreiber mitmachen. Die müssten das wollen.

Wollen die das?

Maier: Das ist die zentrale Frage. Ich glaube, die wollen das nicht. Diese Plattformen und Dienste arbeiten international. Sie sind meist im Ausland angesiedelt, teilweise in den USA. Oder Telegram, zum Beispiel, hat seinen Sitz im arabischen Raum. Das Problem wird sein, die Plattformanbieter zum Mitmachen zu verpflichten. Es geht ja schließlich auch um Geschäftsmodelle, Klicks und Werbeeinnahmen.

Sie malen ein eher düsteres Bild.

Maier: Nur, wenn wir das laufen lassen. Dann würde niemand mehr wissen, ist das real, was ich im Netz sehe oder ist das gefakt. Insofern plädiere ich an dieser Stelle für Regulierung. Demokratie muss sich gegen Desinformation von Extremisten oder ausländischen Mächten zur Wehr setzen. Wir laufen auch hier ein bisschen hinterher, aber der Digital Services Act auf EU-Ebene nimmt sich ja gerade dieser illegalen Inhalte an. Unter anderem werden Plattformen verpflichtet, gegen Desinformation auf ihren Angeboten schneller und umfassender vorzugehen.