TV-Tipp: "Der Wien-Krimi: Tod im Palais"

Getty Images/iStockphoto/vicnt
9. Mai, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Der Wien-Krimi: Tod im Palais"
"Tod im Palais" ist der elfte Krimi mit Philipp Hochmair als blindem Sonderermittler und Andreas Guenther als ehemaliger Berliner Taxifahrer, der in Wien eine zweite Heimat und als Augenersatz des früheren Polizisten Alex Haller einen neuen Job gefunden hat.

Ein Mann begleitet seinen Freund in ein Konzert, kann mit der Darbietung des Streichquartetts jedoch nicht viel anfangen und lauscht lieber via Ohrhörer der Radioübertragung eines Pokalspiels. Plötzlich springt er auf und freut sich lautstark, weil sein Verein ein Tor geschossen hat. Das ist ein Frevel, keine Frage, zumal das Konzert auch noch in einer Kirche stattfindet, aber es ist vor allem Verrat an der Figur: Nikolai Falk mag nicht sonderlich kulturbeflissen sein, wie später ein Rundgang durch eine Kunstgalerie unterstreicht, doch diese Desavouierung hat er nicht verdient.

In der letzten Episode ("Tod im Kaffeehaus") durchlebten Philipp Hochmair als blinder Sonderermittler und Andreas Guenther als ehemaliger Berliner Taxifahrer (und selbstverständlich Union-Fan), die weit mehr als bloß ein Angestelltenverhältnis verbindet, eine erhebliche Beziehungskrise. Davon ist diesmal keine Rede mehr; das erste Filmdrehbuch der Schauspielerin Manja Schaar nach einigen Serienfolgen erzählt eine gänzlich eigenständige Geschichte, die in die Abgründe einer alten Adelsfamilie führt. Deren Geheimnis wird allerdings bereits vom Titel verraten (der Arbeitstitel lautete treffender "Totenreich"). Krimifans durchschauen das Rätsel zudem viel früher als die beiden Freunde. 

Das gilt auch für eine weitere Frage, als sich später rausstellt, dass ein angehender Priester quasi zweimal ermordet worden ist. Bald zeigt sich, dass im Priesterseminar längst nicht alles nach den Vorstellungen des Leiters (Martin Feifel) läuft: Der junge Mann war gern auf Abwegen unterwegs und außerdem nicht der, für den ihn alle hielten. Ein Diebstahl von Spendengeldern und die Verstrickung der Haushälterin (Veronika Polly) in die Angelegenheit sind leicht als Ablenkungsmanöver durchschaubar. Einzige kriminalistische Besonderheit des Films ist die Tatsache, dass Falk ohne jede Befugnis und gegen das ausdrückliche Verbot von Hallers Nachfolgerin (Jaschka Lämmert) ermittelt, weil er wegen seines Fauxpas’ während des Konzerts ein schlechtes Gewissen hat. Mit seinem Jubel hatte er Cellistin Fanny Brohnstein (Martina Ebm) aus dem Konzept gebracht, aber er spürt rasch, dass die Musikerin weitaus mehr bedrückt.

Der Film beginnt mit einer Rückblende, als ein Mädchen mit den Worten "Das wirst du mir büßen" vom strengen Fechtmeister in den Keller gezerrt wird. In Geschichten aus Österreich haben Untergeschosse stets eine besondere Bewandnis, und das nicht bloß wegen Sigmund Freud; die Redensart von der Leiche im Keller hat hier gern nicht nur eine bildliche Bedeutung. 

Interessant ist "Tod im Palais" zudem wegen der Zuneigung, die Falk für Fanny empfindet; entsprechend groß ist sein Schock, als sie buchstäblich von seiner Seite gerissen wird. Die Szenen im Palais der altadeligen Familie – "Den Titel kann man uns nehmen, Überzeugungen und Traditionen nicht" – sind ohnehin fesselnd: Das großzügige Anwesen beherbergt neben den mondänen privaten Gemächern, die Falk "undercover" erkundet, neben besagter Galerie auch einen von Fannys Bruder Felix (Hannes Wegener) betriebenen Technoclub mit dem etwas hochtrabenden Namen Gomorra. Im Keller des Etablissements hat der vermeintliche Priesteranwärter offenbar ein Geheimnis entdeckt, mit dem er die Geschwister erpressen konnte. 

Sonderlich spannend ist das alles jedoch nicht. Die Umsetzung ist längst nicht so dicht wie beim letzten "Wien-Krimi", zumal gelegentliche darstellerische Schwächen den Sehgenuss beeinträchtigen. Am Schluss wird der Fall außerdem ganz konventionell und mit Hilfe ausführlicher Rückblenden erklärt. Andererseits hatte Schaar einige originelle Ideen, darunter eine "blinde" Revanche zwischen Haller und dem ältesten Bruder (Johannes Zirner); die beiden sind einst in ihrer Jugend bei einem Fechtturnier aufeinander getroffen. Die Inszenierung besorgte Sibylle Tafel, die in den letzten Jahren als Autorin und Regisseurin überwiegend mit der sehenswerten ARD-Freitagsreihe "Toni, männlich, Hebamme" (seit 2019) beschäftigt war. Die Optik ihrer "Blind ermittelt"-Premiere  ist immerhin erlesen. Die Bildgestaltung (diesmal Florian Schilling) ist zwar nicht so kunstvoll wie bei "Tod im Kaffeehaus", aber gerade die Szenen in den verschiedenen Bereichen des Palais sind nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Licht- und Farbgebung optisch reizvoll. Die entsprechenden Dreharbeiten fanden im Palais Rasumofsky (3. Bezirk) statt.