Die Eurokrise und wir: Einer trage des Anderen Last!

Die Eurokrise und wir: Einer trage des Anderen Last!

###mehr-personen### Vor wenigen Wochen war vom bayerischen Finanzminister Söder, immerhin Mitglied einer christlich-sozialen Partei, folgende Aussage in den Medien zu lesen: "Wenn jemand an deinem Seil hängt und dabei ist, dich mit in den Abgrund zu reißen, musst du das Seil kappen. In der Phase sind wir jetzt. Wenn wir nicht rechtzeitig das Rettungsseil kappen, an dem Griechenland hängt, gerät möglicherweise Deutschland in Gefahr." Wahrscheinlich hat er damit hierzulande vielen aus der Seele gesprochen, die sich schon lange bange fragen, wo eine Politik der immer größer werdenden Rettungsschirme noch hinführen soll. Bleibt uns also wirklich nichts anderes übrig, als das Seil durchzuschneiden und Länder wie Griechenland sich selbst zu überlassen? Immerhin musste die griechische Regierung vor kurzem eingestehen, dass trotz teilweisem Schuldenerlass und zweitem Rettungspaket schon wieder ein ständig größer werdendes Loch im Staatshaushalt klafft.

Ich möchte die These von Markus Söder an dieser Stelle energisch zurückweisen, obwohl sein Vergleich nicht völlig falsch ist. Denn wenn die gegenwärtige Politik fortgesetzt wird, dann nähern wir uns tatsächlich immer mehr der von ihm beschriebenen Situation. Trotzdem ist es an dieser Stelle weder ethisch noch ökonomisch zu verantworten, das Seil einfach durchzuschneiden. Ginge es nur um Griechenland, dann wären wir ökonomisch stark genug, das Seil noch eine ganze Weile weiter zu halten. Allerdings könnten wir uns, wenn wir so weiter machen, schon bald mit Ländern von ganz anderem Kaliber in einer ähnlichen Situation befinden. Deshalb sollten wir einen Moment inne halten und uns vergegenwärtigen, wie wir überhaupt in diese Lage gekommen sind.

Wie sind wir überhaupt in diese Lage gekommen?

Mehrere Sachen sind ja ziemlich verwunderlich! Wie kamen wir überhaupt an diesen Abgrund - und all die Länder, allen voran Griechenland, an dieses Seil? Ein entscheidender Grund dafür ist, dass sich da eine äußerst merkwürdige Gruppe auf den Weg gemacht hat. Statt - wie bei Bergsteigern üblich - gegenseitig Rücksicht zu nehmen, gilt unter EU-Staaten das Prinzip des Wettbewerbs. Je schneller der Erste vorausrennt, so die Grundannahme, umso motivierter laufen die Anderen hinterher, bis sie irgendwann vielleicht sogar überholen. Haben die Bergsteiger allerdings eine unterschiedliche Kondition, geht das Konzept nicht auf. Dann laufen die Stärkeren immer weiter davon und die Schwächeren kommen nicht nach.

Eine Möglichkeit, um aus dieser Situation herauszukommen, wäre, wenn die Stärkeren auf die Schwächeren warten und ihnen einen Teil ihres Gepäcks abnehmen. Dann könnten sie den weiteren Weg wieder gemeinsam fortsetzen. Genau das ist aber in der EU durch die 'No-Bailout-Klausel' in den Europäischen Verträgen eigentlich verboten und wird, hinter vorgehaltener Hand, bestenfalls als ultima ratio praktiziert. Und selbst dann liegen die Dinge oft etwas anders, als es auf den ersten Blick scheint. Denn die Rettungspakete, die Ländern wie Griechenland zugeworfen werden, bestehen in erster Linie aus Krediten, an denen Staaten wie Deutschland, solange die Kredite bedient werden, sogar noch gut verdienen. Das Gewicht im Rucksack bleibt dabei, abgesehen vom niedrigeren Zinssatz, zum größten Teil gleich - denn eigentlich wird nur umgepackt. Zuvor von privaten Gläubigern gehaltene Schulden werden durch Kredite aus den Rettungsschirmen ersetzt. In erster Linie wird also nicht Griechenland gerettet, sondern seine Gläubiger.

Erleichterungen gibt es nur, wenn das Rettungsseil zu reißen droht

Tatsächlich ein Paket aus dem Rucksack herauszunehmen, wie es bei Griechenland durch den Schuldenschnitt geschah, ist man erst bereit, wenn das Seil zu reißen droht. Und selbst dann ist das Kriterium für die Größe des Pakets nur das zu-reißen-drohende Seil und nicht das Wohlergehen des Bergsteigers.

Notwendig wäre, die Schulden substanziell zu senken und den in Not geratenen Ländern damit überhaupt erst die Chance zu geben, selbst wieder auf die Beine zu kommen. Doch stattdessen wirft man ihnen durch völlig kontraproduktive Sparauflagen noch zusätzlich Knüppel zwischen die Beine. Denn ein großer Teil der Bedingungen für Kredite aus den Rettungspaketen sorgt dafür, dass die Staatseinnahmen viel schneller schwinden, als auf der Ausgabenseite gespart werden kann. Kein Wunder, wenn der Bergsteiger am Ende gar nicht mehr selbst laufen kann und komplett am Rettungsseil hängt. Hätte man ihm gleich zu Beginn ein Teil seines Gepäcks abgenommen,  wäre allen Beteiligten einiges erspart geblieben.

Warum ist die Kondition so unterschiedlich?

Natürlich muss man auch darüber sprechen, warum die Kondition der Bergsteiger so unterschiedlich ist. Im Falle Griechenlands stößt man dabei unter anderem immer wieder auf Korruption und Steuerhinterziehung. Vieles, was in einem modernen Staat funktionieren sollte, funktioniert in Griechenland nicht. Am meisten leiden darunter die Griechen selbst, von denen viele dagegen ankämpfen. Man sollte meinen, diese Menschen würden dann unterstützt, doch weit gefehlt: Wenn überhaupt von ihren Aktivitäten die Rede ist, dann werden sie eher so dargestellt, als ob sich hier jemand trotzig den notwendigen Einsichten verweigern will.

Aber auch bei den Bergsteigern mit vermeintlich guter Kondition sollte man genauer hinschauen. Vielleicht rührt diese ja nicht allein vom fleißigen Training, sondern auch vom Doping mit wenig empfehlenswerten Substanzen her. Im Falle Deutschlands könnte dazu Lohn-, Sozial- und Steuerdumping gehören, wie es unter anderem mit der Agenda 2010 vor einigen Jahren durchgesetzt wurde.

Ein solidarisches Europa wäre auf Dauer billiger

Für viele mag es paradox klingen, aber ein solidarischeres Europa wäre wahrscheinlich auf Dauer um einiges billiger als die Katastrophe, auf die wir uns gerade zubewegen. Konkret heißt das, als Sofortmaßnahme einen substantiellen Schuldenerlass für die überschuldeten Euro-Staaten durchzuführen und einen dauerhaften finanziellen Ausgleichsmechanismus ähnlich dem deutschen Länderfinanzausgleich zu installieren. Und: Entschlossen die Unterstützung all derjenigen zu praktizieren, die dort gegen Korruption und Vetternwirtschaft vorgehen wollen, statt weiter mit denjenigen zu paktieren, die sie zu verantworten haben.


 

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