TV-Tipp: "Blindgänger" (ZDF)

TV-Tipp: "Blindgänger" (ZDF)
TV-Tipp: "Blindgänger", 26. Januar, 20.15 Uhr (ZDF)
Der mürrische Dresdner Ex-Bombenentschärfer Conny Stein trifft auf ein Mädchen, das in Deutschland aufgewachsen ist, aber abgeschoben werden soll. Von nun an weicht sie ihm nicht mehr von der Seite.

Peter Kahane hat einige der schönsten Filme mit Wolfgang Stumph gedreht. Gemeinsam haben sie vor zwanzig Jahren Stubbe erfunden, den sächsischen Kommissar in Hamburg; Kahane hat rund zwanzig Drehbücher für die ZDF-Krimireihe geschrieben und die meisten auch selbst verfilmt. Mit der Liebesgeschichte "Bis zum Horizont und weiter" (1998), der romantischen Komödie "Das blaue Wunder" (2003) und dem Melodram "Eine Liebe in Königsberg" (2006) haben sich die beiden zudem mehrfach in anderen Genres getummelt. Auch "Blindgänger" ist ganz weit weg von "Stubbe": Stumph spielt Conrad Stein, einen Veteranen des Dresdener Kampfmittelräumdienstes, der soeben seine letzte Bombe entschärft hat. Während sich seine Frau Sanna (Ulrike Krumbiegel) darauf freut, endlich mit Conny die Welt zu bereisen, tut er sich mit dem Abschied vom Arbeitsalltag schwer. Als die Gattin bei einem gemeinsamen Abend mit einer Freundin (Inka Friedrich) einem einstigen Mitschüler (Götz Schubert) über den Weg läuft, der ihr von Paris vorschwärmt, macht sie sich kurzerhand aus dem Staub. Aber Conny hat gar keine Zeit, seine Sanna zu vermissen, denn ein kleines Flüchtlingsmädchen namens Olli hat ihn als Schutzengel auserkoren.

In den wundervoll gespielten Szenen mit dem Mädchen zeigt sich wieder einmal, dass Wolfgang Stumph nicht bloß ein großartiger Schauspieler ist, sondern auch die Mitwirkenden an seiner Seite glänzen lässt. Die junge Mia Kasalo profitiert davon enorm. Allerdings entpuppt sie sich auch als Naturtalent, das selbst mit einigen nur bedingt kindgerechten Dialogen keinerlei Probleme hat. Natürlich ist es nicht weiter überraschend, dass Olli den angesichts des Ruhestands ziemlich griesgrämigen Rentner aus seiner Reserve lockt. Damit der Zusammenprall noch ein bisschen extremer wird, ist Conny ein pedantischer Mensch, für den alles seine Ordnung haben muss, weshalb er das Mädchen auch umgehend bei der Ausländerbehörde abgeben will. Dort trifft er auf einen Beamten (Franz Dinda), der sich stur und herzlos an die Vorschriften hält. Und weil die pfiffige Olli schwieriger zu hüten ist als ein Sack Flöhe, hat Conny sie alsbald wieder an der Backe.

Der Film besticht besticht durch seinen Genrewechsel

Die Geschichte klingt wie eine harmlose "Plötzlich Opa"-Komödie, aber Stumph, der den Stoff gemeinsam mit Simone Kollmorgen entwickelt hat und hier erstmals auch als Koproduzent firmiert, sorgt dafür, dass der ernste Hintergrund jederzeit präsent ist: Die in Deutschland aufgewachsene Olga ist ein Waisenkind mit tschetschenischen Wurzeln und soll nach Grosny abgeschoben werden; sie will aber nach Berlin, wo ihre Schwester Elena illegal lebt. Conny lässt sich breitschlagen, fährt mit dem Kind in die Hauptstadt und findet Elena tatsächlich, doch die Wiedersehensfreude ist nur von kurzer Dauer, dann wird Elena verhaftet; also nimmt Conny das Kind wieder mit nach Dresden, aber auch dort sind ihnen die Behörden bereits auf der Spur.

"Blindgänger" überzeugt nicht nur durch perfekt miteinander harmonierende Hauptdarsteller und großen Handlungsreichtum, sondern auch durch fließende Genrewechsel. Der Film beginnt wie ein Thriller, als Conny mitten in der weiträumig abgesperrten Dresdener Innenstadt eine Bombe entschärft, wandelt sich zum Beziehungsdrama, wird zur Komödie mit tragischen Untertönen und endet schließlich mit einem märchenhaften Schluss, der zu schön ist, um wahr zu sein. Kahanes Drehbuch sorgt zudem immer wieder für Überraschungen. Die Inszenierung bewegt sich ohnehin auf höchstem Fernsehfilmniveau, auch die Bildgestaltung (Busso von Müller) ist imposant. Dennoch ist es vor allem Wolfgang Stumph, der diesen Film prägt. Natürlich ist Conny eine tolle Rolle, aber wie der Rentner widerwillig sein Herz für Olli öffnet, wie er sich angesichts der freundlich erzwungenen Nähe und erst recht bei den diversen illegalen Aktionen nicht wohlfühlt in seiner Haut: Das ist ganz großes Schauspiel.