TV-Tipp des Tages: "Keine Zeit für Träume" (ARD)

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TV-Tipp des Tages: "Keine Zeit für Träume" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Keine Zeit für Träume", 12. März, 20.15 Uhr im Ersten
Merle ist elf Jahre alt und hat Schwierigkeiten, den Anforderungen der Schule gerecht zu werden. Ihre Eltern sind zunächst ratlos, rennen dann von Arzt zu Arzt und bekommen schließlich die Diagnose ADS.

Für die einen ist das Leben ein langer, ruhiger Fluss. Für andere ist es ein Flur, von dem rechts und links ganz viele Türen abgehen, und sie können nicht anders, als jede einzelne zu öffnen. Kein Wunder, dass sich die elfjährige Merle im Unterricht nicht konzentrieren kann: Die kleinste Ablenkung genügt, und schon ist sie nicht mehr bei der Sache. Hauptfiguren des einfühlsam erzählten und außerordentlich gut gespielten Dramas "Keine Zeit für Träume" sind jedoch die Eltern die Kindes, Kathrin und Roman Falk (Anneke Kim Sarnau, Harald Schrott). Zunächst halten sie die Symptome für Vorboten der beginnenden Pubertät; gerade Roman spricht von einer "schwierigen Phase" und sieht die Schuld für Merles schlechte Noten eher bei der Schule. Eine Untersuchung ergibt jedoch zweifelsfrei, dass das Mädchen unter der Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS) leidet. Die Kinderpsychologin empfiehlt eine Kombination aus Therapie und Medikamenten. Die Eltern lehnen dies jedoch ab, sie wollen Merle selbst helfen, unterschätzen jedoch, welchen Raubbau sie damit an ihren Kräften treiben, zumal sie beide im gemeinsamen Bauingenieurbüro voll eingespannt sind. Prompt haben sie buchstäblich ein paar Baustellen zuviel; am Ende steht die komplette Familie vor dem Kollaps.

Familiäre Ausnahmesituation

Die Handlung sowie das Verhalten der beteiligten Personen sind jederzeit glaubwürdig, zumal "Keine Zeit für Träume" kein ADS-Film ist. Das familiäre Gefüge ist zunächst vorbildlich und völlig intakt; das Drehbuch von Regine Bielefeldt nimmt die Störung zum Anlass, um zu beschreiben, was der Ausnahmezustand mit allen Beteiligten anstellt. Das Verhalten der Familienmitglieder ist jederzeit stichhaltig und nachvollziehbar: von der strikten Ablehnung der Psychopharmaka über das plötzliche auffällige Benehmen der vernachlässigten älteren Tochter bis hin zum Zusammenbruch und dem drohenden Zerwürfnis der Eltern. Damit man nachvollziehen kann, wie Merle ihre Umgebung wahrnimmt, verdeutlicht Regisseurin Christine Hartmann zunächst mit eingängigen Bildern, was im Kopf des Kindes vor sich geht: Als der Lehrer mit Merle spricht und dabei mit den Fingern auf den Tisch klopft, drängt sich diese Geste derart stark in den Vordergrund, dass das Mädchen seine Worte gar nicht mehr wahrnimmt.

Fortan konzentriert sich der Film jedoch ausschließlich auf die handelnden Personen, zumal sich die meisten Szenen in der Wohnung der Familie abspielen. Entsprechende Bedeutung kommt der Besetzung des Films zu. Natürlich ist es keine Überraschung, dass Anneke Kim Sarnau und Harald Schrott die ganze Bandbreite der ehelichen Szenen überzeugend spielen, aber gerade die extremen Momente gegen Ende, wenn jedes Gespräch zwischen Roman und Kathrin in einen Streit mündet, bis sie sich schließlich nur noch entnervt anschreien, sind von erschütternder Glaubwürdigkeit. Das große Kapital des Films aber sind die beiden Mädchen.

Die junge Greta Bohacek stößt nur ganz wenige Male, wenn Merle weint oder lacht, an ihre Grenzen; ansonsten verkörpert sie das Kind ganz großartig. Ähnlich eindrucksvoll ist die Leistung von Stella Kunkat als 14jährige Lea, die von den Eltern überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird und mit Rebellion auf sich aufmerksam macht. Die junge Berlinerin hat bereits 2008 in einem "Tatort" aus Ludwigshafen ("Der glückliche Tod") an der Seite von Ulrike Folkerts zu Tränen gerührt und auch 2010 in dem Vater/Tochter-Drama "Die Zeit der Kraniche" eine bemerkenswerte Leistung abgeliefert.