EKKW: Mit Regionalteams gegen Personalnot

Weisser Talar im Schrank der evangelischen Friedenskirche in Offenbach
epd-bild/Tim Wegner
Bis Ende 2037 gehen in der EKKW mehr als 440 Pfarrpersonen in Rente.
Zu wenig Pfarrer:innen
EKKW: Mit Regionalteams gegen Personalnot
Die evangelische Kirche hat ein Nachwuchsproblem bei den Pfarrpersonen. Das ist nichts Neues. Aufgrund einer Ruhestandswelle soll sich das verschärfen. Die EKKW hat jetzt eine Strategie entworfen, wie man dem Problem begegnen will.

Die Personalpolitik der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) steht vor großen Herausforderungen: "Wir werden in 10 bis 15 Jahren unter grundlegend anderen Rahmenbedingungen Kirche sein als jetzt, weil wir deutlich weniger Kirchensteuermittel, deutlich weniger Pfarrpersonen und weniger Fachkräfte in allen Bereichen haben werden", heißt es im gemeinsamen Personalbericht von Vizepräsidentin Katharina Apel und Prälat Burkhard zur Nieden.

In dem Text, den sie der Landessynode während der Frühjahrstagung vorstellten, heißt es weiter, dass Kirche an Relevanz verlieren werde, "weil wir in einer vielfältigeren, auch multireligiöseren Gesellschaft leben". Vor diesem Hintergrund soll die Personalpolitik neu ausgerichtet werden.

Aktuell sind rund 12.400 Menschen in der EKKW beschäftigt. Dazu zählen annähernd 700 Pfarrer:innen im aktiven Dienst – rund 40 Pfarrpersonen weniger als vor zwei Jahren. 60 Vollzeitstellen seien derzeit vakant, berichtete Prälat zur Nieden. Die hohe Zahl von Vikar:innen ermögliche es, in diesem und im nächsten Jahr die Lücken weitgehend zu schließen. Zudem werden weitere Stellen abzubauen sein.

Mittelfristig rechnet der Prälat mit einem deutlichen Personalrückgang im Pfarrdienst aufgrund einer hohen Zahl von Eintritten in den Ruhestand: Bis 2026 sind dies rund 40 Pfarrer:innen. Auf lange Sicht – bis Ende 2037 – träten mehr als 440 Pfarrpersonen in den Ruhestand. Das sind fast zwei Drittel des jetzigen Personalbestands, führte der Prälat vor Augen – vorzeitige Ruhestände nicht inbegriffen. Diesen Abgängen wird eine nur geringe Zahl von Zugängen gegenüberstehen, sagte zur Nieden mit Blick auf den Nachwuchs. Zwar sei der aktuelle Vikariatskurs groß, die Zahl der Theologie-Studierenden aber deutlich rückläufig. 

Größte Gruppe sind Beschäftigte in den Kitas

Die größte Gruppe der weiteren rund 11.700 Mitarbeitenden in der EKKW stellen mit 3.230 Personen jene, die in den Kindertagesstätten beschäftigt sind. Ihre Zahl hat in den vergangenen beiden Jahren um 26 Prozent zugenommen. Dieser deutliche Anstieg sei die Folge der Angebotserweiterungen in den Kitas der EKKW und damit die Reaktion auf den wachsenden Bedarf an Betreuungsangeboten, erläuterte Vizepräsidentin Apel. Auch im Bereich der Kirchenmusik ist die Zahl der Mitarbeitenden deutlich gestiegen von rund 2.000 im Jahr 2022 auf aktuell rund 2.870. Dies erklärt sich damit, dass nach wie vor ein ganz erheblicher Teil der Kirchenmusiker:innen in kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen steht. Sie wurden während der Corona-Pandemie nicht fortgeführt, da kaum Gottesdienste stattgefunden haben. Inzwischen ist die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich aber wieder auf das Vor-Corona-Niveau geklettert, führte Apel aus. 

Neue Formen der Zusammenarbeit

Auch auf die Herausforderungen bei der Personalgewinnung und -bindung sowie das Ziel, attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber zu bleiben, gingen Prälat und Vizepräsidentin ein. Der Mangel an Fach- oder Arbeitskräften, insbesondere auch von Auszubildenden, sei massiv spürbar. Daher müsse sich die kirchliche Personalpolitik insgesamt neu ausrichten mit dem Ziel, das Verhältnis von Ämtern und Berufen qualitativ neu zu definieren, und zwar als sich wechselseitig ergänzende Funktionen im "Betriebssystem der Kirche", sagte Prälat zur Nieden.

Künftig wolle man mit regionalen Teams aus verschiedenen Berufsgruppen und Ehrenamtlichen auf die gestiegene Komplexität der Anforderungen und Bedarfe in der kirchlichen Arbeit reagieren, erläuterte zur Nieden. Er sprach von einer transprofessionellen Zusammenarbeit, die neue Rollenklärungen erforderlich mache. "Entsprechend streben wir eine aufgaben- und kompetenzorientierte Personalstrategie an", so der Prälat. Konkret ist damit gemeint, dass nicht nur Pfarrer:innen das kirchliche Leben in der Region mitgestalten, sondern auch Diakon:innen, Verwaltunsgangestellte oder Ehrenamtliche. So soll gewährleistet sein, dass die Gemeindearbeit auch in Zukunft gut funktioniert. Es geht ganz ausdrücklich nicht darum, die Personalnot zu kompensieren, sondern ein Arbeitsmodell für die Zukunft zu schaffen, in dem die Akteure nicht an ihren Rollen "kleben bleiben", sondern in dem jeder seine Kompetenz einbringt.

Auch die Zukunft der öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse mit Versorgungs- und Beihilfeansprüchen war Gegenstand des Personalberichts. Aktuell befinden sich annähernd 850 Personen in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis – neben den rund 700 Pfarrpersonen sind dies 85 Kirchenbeamtinnen sowie 65 Lehrkräfte. Hinzu kommen rund 800 Ruheständler und Hinterbliebene, die Versorgungsbezüge erhalten, erläuterte die Vizepräsidentin. Diese jährlich aus dem laufenden Haushalt zu tragenden Aufwände schlügen derzeit mit rund 40 Millionen Euro zu Buche, skizzierte Apel. Sie stellten damit nach den Zuweisungen an die Kirchengemeinden und Kirchenkreise die zweitgrößte Einzelposition im Haushalt dar. 

Vor diesem Hintergrund gelte es zu klären, wie mit den bestehenden Verpflichtungen umzugehen und ob die Begründung neuer öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse noch geboten ist – dies immer unter dem Eindruck, "nachhaltig mit den uns zur Verfügung gestellten Mitteln zu haushalten", mahnte Apel. Prälat zur Nieden betonte, dass die Überprüfung der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse im Bereich des Pfarrdienstes nicht allein im Zusammenhang der knapper werdenden finanziellen Ressourcen steht. Es gehe bei der Frage auch darum, strukturelle Voraussetzungen zur Entwicklung der interprofessionellen Zusammenarbeit der Berufsgruppen zu schaffen. 

Vizepräsidentin Apel machte noch einmal deutlich, dass es in den kommenden Jahren in allen Bereichen der Landeskirche Veränderungen geben werde: bei Arbeitsprozessen, Aufgabenzuschnitten, in den Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitskultur. Es brauche daher "Mut, neue Wege zu gehen – und auch von guten und bewährten Strukturen und Aufgaben Abschied zu nehmen", hob sie abschließend hervor.