TV-Tipp: "Player of Ibiza"

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10. Mai, ARD One, 23.00 Uhr
TV-Tipp: "Player of Ibiza"
Es gibt Menschen, deren Programmradius sich auf ARD, ZDF und ihr bevorzugtes "Drittes" beschränkt; andere wiederum verirren sich so gut wie nie in die öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Sollte das doch mal passieren und zum Beispiel ein Fan von "Kampf der Realitystars" (RTL 2) zufällig auf "Player of Ibiza" stoßen, könnte das zu einem erheblichen Fall von kognitiver Dissonanz führen.

Die Reihe entspricht inklusive Zwischeninterviews, Bildsprache, versteckten Kameras und kurz angespielten Popsongs täuschend echt jenen Prinzipien, die den vermeintlichen Reiz und das Konzept von Datingshows wie etwa "Der Bachelor" (RTL) ausmachen. Der leise Zweifel, ob die Darbietungen dort tatsächlich immer authentisch sind, tut der Faszination keinen Abbruch; Hauptsache, es lässt sich ordentlich lästern.

Zumindest diese Erwartung erfüllt "Player of Ibiza" geradezu gnadenlos, denn einige der Gestalten, die auf die Siegprämie hoffen, sind alles andere als eine Zierde ihres Geschlechts. Was sie nicht ahnen: Sie sollen in der zehnten Staffel zu Frauenverstehern werden.

Mit Blick auf den Reality-Fan, der sich angesichts des zum Verwechseln ähnlichen Formats im falschen Programm wähnt, ist es beinahe schade, dass das Drehbuchteam die Karten gleich zu Beginn auf den Tisch legt: Die fünfteilige Serie ist reine Fiktion. Nach einem verblüffend aufwändig produzierten Trailer, der womöglich so teuer war wie eine ganze Folge, offenbart ein Redakteur (Martin Brambach) seiner Regisseurin (Larissa Sirah Herden), dass die Jubiläumsausgabe eine völlig neue Richtung einschlagen soll. Er stört sich am Sexismus des Formats, will das Konzept völlig umkrempeln und ist überzeugt: "Das Feuilleton wird das feiern!" Dass er die junge Kollegin "Mäuschen" nennt, ist ebenso wie die Regenbogenflagge an der Wand des Konferenzraums im Vergleich zum nun folgenden Brachialhumor eine geradezu dezente Fußnote. 

Den Gepflogenheiten des Genres entsprechend werden als erstes die Mitwirkenden vorgestellt. Die Kerle entsprechen mit viel Liebe zum boshaften Bauchbindendetail diversen Klischees, wobei es durchaus bedauerlich ist, dass sie derart persifliert werden; für den satirischen Zweck hätte es im Grunde genügt, echte Teilnehmer zu kopieren. Gruselig gut ist vor allem Sammy Scheuritzel als misogynes Mauerblümchen Jeppe, ein Spargeltarzan mit fettigen Haaren, der aus seinem Frauenhass keinen Hehl macht und wie einer jener Typen wirkt, die im Krimi zum Mörder werden. Männer wie den narzisstischen Anthony (Emil Belton) oder den im Fitnessstudio aufgepumpten Tim (Bruno Alexander), der die etwas unterbelichtete Moderatorin Shirin (Altine Emini) ganz wuschig macht, mag der Online-Junkie allerdings auch nicht, weil sie offenbar kein Problem bei Frauen haben. Die Szenen mit Arman Kashani als Donut-Verkäufer wiederum sind schon allein wegen Abdels komplizierter Sprechweise ein Vergnügen. Fünfter im Bunde ist der bedauernswert untalentierte Rapper Marvin (Charles Booz Jakob). Kein Wunder, dass Kamerafrau Toni (Laura Goos), demonstrativ adipös und seit der ersten Staffel dabei, die Dreharbeiten bloß bekifft durchsteht. Identifikationsfigur ist allerdings Regisseurin Amelie als personifizierte Skepsis: Sie hält die aus Kostengründen nicht auf den Balearen, sondern in der niedersächsischen Provinz produzierte "Feminismus-Edition" für ausgemachten Blödsinn. 

Die Idee zu "Player of Ibiza" hatte Produzentin Ina-Christina Kersten. Regie führten Bruno Alexander sowie die Zwillinge Oskar und Emil Belton. Die drei haben sich zwar durch die mittlerweile dreistaffelige Amazon-Serie "Discounter" einen Namen gemacht, aber dennoch ist es durchaus respektabel vom NDR, sich auf ihre Arbeitsweise einzulassen: Die Drehbücher, für die sich das Trio weibliche Verstärkung (Ellen Holthaus, Miriam Suad Bühler) geholt hat, haben nur einen Rahmen vorgegeben, der Rest ist Improvisation. Das passt in diesem Fall natürlich besonders gut, denn die Vorbilder funktionieren ja ganz ähnlich.

Allerdings ist nicht jede Folge gleichermaßen gelungen. Der Auftritt eines vermeintlichen Feministen (Christoph Glaubacker) zum Beispiel hat gewisse Längen. Die verschiedenen "Challenges" stellen keine wirklichen Höhepunkte dar, und der Schluss ist etwas kraftlos. Faszinierend ist jedoch die Idee, regelmäßig die Wirklichkeit in die "Reality" einbrechen zu lassen: Gäste wie die feministische Pornoregisseurin Paulita Pappel oder die Autorin Mareice Kaiser, die den Teilnehmern neue Perspektiven auf Weiblichkeit eröffnen sollen, sind echt. ARD-Sender One zeigt ab 23.00 Uhr alle Folgen am Stück, die Reihe steht auch in der ARD-Mediathek.