Konfirmation: Wenn Jugendliche "Ja" zu Gott sagen

Zettel an Pinwand
epd-bild/Tim Wegner
Konfirmanden haben im Gottesdienst eine Mindmap erstellt.
Interview mit Katja Simon
Konfirmation: Wenn Jugendliche "Ja" zu Gott sagen
Laut der jüngsten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) ist die Konfirmandenarbeit einer der wichtigsten Bindungsfaktoren von Jugendlichen. Was sich diese von der Konfirmation versprechen, berichtet Katja Simon von der Konfi-Arbeit im Interview.

evangelisch.de: Frau Simon, angesichts der stabilen Teilnahmequoten an der Konfirmation unter evangelischen Jugendlichen, könnten Sie uns etwas über die Beweggründe und Ziele der Konfirmation erzählen?

Katja Simon: Konfis melden sich an, weil sie die Konfirmation als ein großes Familienfest feiern und beschenkt werden wollen. Nicht nur mit Geschenken, sondern gleichbedeutend zu materiellen Dingen, auch mit Immateriellen: dem Segen Gottes. Aber auch das ist ein wichtiger Beweggrund: "Ich melde mich nur an, wenn meine Freundin sich auch anmeldet." Letzteres ist besonders einleuchtend, benötigen doch Jugendliche in der Pubertät ihre Peer-Group in besonderem Maße. 

Zum Motiv der Geschenke möchte ich sagen, dass es in unserer evangelischen Kultur einen negativen Klang hat. Doch letztendlich spüren Konfis am Tag der Konfirmation, wie gut es sich anfühlt, ernst genommen zu werden. So beschenkt die Familie den Konfirmanden oder die Konfirmandin, weil die Angehörigen spüren, dass ein wichtiger Schritt im Leben gegangen wird. Dazu gratuliert die Familie. Die Konfis werden aber auch mit dem Segen Gottes beschenkt. Dass daraus ein Brauchtum mit vielen Geschenken wird, ist seit Weihnachten nichts Neues. 

Jugendliche sagen Ja zum Glauben, zu Gott und dazu, dass es gut und richtig ist, als Christenmensch zu leben und eine Haltung zu haben. Darum spielt der Segen im Gottesdienst als unverfügbarer Moment für die Jugendlichen eine große Rolle. Sie freuen sich auf das Geschenk Gottes, der sie segnet, stärkt und ihnen zeigt, dass es mehr gibt als nur materielle Werte.

"Jugendliche sagen Ja zum Glauben, zu Gott und dazu, dass es gut und richtig ist als Christenmensch zu leben und eine Haltung zu haben"

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Konfirmation in der religiösen Sozialisation und langfristigen Bindung an die Kirche?

Simon: Als Gemeindepfarrerin und Studienleiterin mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung habe ich erlebt, wie begeistert Jugendliche auch Jahre nach ihrer Konfirmation von der Zeit sprechen. Vor allem Freizeiten und Camps bleiben in Erinnerung. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass solche erlebnisorientierten Angebote einen Ort der Gemeinschaft und der jugendgemäßen Spiritualität bieten, die nachhaltig wirken. Die wöchentliche Konfi-Stunde oder der Sonntagsgottesdienst nach Agende eins bleiben nicht so lang in Erinnerung.

Katja Simon ist Studienleiterin und Pfarrerin und in der Konfi-Arbeit der beiden hessischen Landeskirchen tätig.

Es gibt zahlreiche Überlegungen, Menschen unterschiedlicher Generationen langfristig an die Kirche zu binden. Ich möchte Konfi 3, Konfi-Camps, Konfi-Elternarbeit nennen. Sie entfalten ihre Wirksamkeit aber nur, wenn sie sinnvoll in die gemeindliche Konzeption der Konfi-Arbeit eingebunden sind. Dabei sollte genau geprüft werden, welche Schwerpunkte und Ansatzpunkte diese Arbeit in einer Gemeinde oder in einem Kooperationsraum haben soll. Dabei spielen die örtlichen und regionalen Gegebenheiten und die personellen und finanziellen Ressourcen sowie die vorhandenen Kompetenzen und Begabungen eine zentrale Rolle.

"Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass solche erlebnisorientierten Angebote einen Ort der Gemeinschaft und der jugendgemäßen Spiritualität bieten, die nachhaltig wirken"

Die Ergebnisse der aktuellen KMU zeigen, dass die Konfirmation einen starken Einfluss auf die spätere Einstellung zu religiösen Fragen hat. Wie interpretieren Sie diese Erkenntnis in Bezug auf die Bedeutung der Konfirmandenarbeit?

Simon: Erstmals wurde die Feier der Konfirmation bei der Befragung innerhalb der KMU berücksichtigt und sehr positiv bewertet. Ich sehe die positiven Umfragewerte auch als eine Bestätigung einer qualitativ hochwertigen und zeitgemäßen Konfi-Arbeit im Vorfeld der Konfirmation. Eine den Jugendlichen zugewandte Arbeit führt zu einer ansprechenden Feier der Konfirmation und damit zu positiven Umfrageergebnissen.

Konfi-Zeit und eine nachhaltig in Erinnerung bleibende Konfirmation gelingen dann, wenn sich zeitgemäße Formen der Konfi-Arbeit etablieren. Diese sind da zu erkennen, wo die christliche Botschaft mit der Lebenswelt der Jugendlichen verknüpft wird. Die Leitfrage dieses pädagogischen Konzepts: Welche Relevanz erlangen christliche/evangelische Sinndeutungen, Haltungen und Praktiken für die Jugendlichen und ihre Lebensthemen?

Beliebt bei Konfis sind ebenso Gemeindeerkundungen, Kirchenraumpädagogik, Gemeindepraktika, Beteiligung an Gottesdiensten und die Zusammenarbeit mit Konfi-Teamer:innen. Hier erleben Konfis Kirche als Raum, den sie aktiv mitgestalten können. Konfi-Camps, Konfi-Tage oder Konfi-Cup sind Großveranstaltung, die die Botschaft vermitteln: "Wir sind viele!". Das stiftet Zusammenhalt. Durch Projekte und Aktionen (5000 Brote, Sammlungen, Waldprojekte…) gibt es Möglichkeiten, dass sich die Jugendlichen in gesellschaftlichen Fragen engagieren.

Insgesamt ermuntert das positive Ergebnis der KMU VI die Kirchenleitungen in der EKD hoffentlich dazu, mehr Geld für Konfi-Arbeit in die Hand zu nehmen. Es ist eine lohnende Investition. Den Mitgliederschwund halten wir dadurch nicht auf. Wir investieren aber in eine wichtige Form kirchlichen Handelns.

"Den Mitgliederschwund halten wir dadurch nicht auf. Wir investieren aber in eine wichtige Form kirchlichen Handelns"

Inwiefern haben sich die Bemühungen um die Konfirmandenarbeit in den letzten Jahren verändert und wie werden sie heute mit der kirchlichen Jugendarbeit verknüpft?

Simon: Gab es in den letzten Jahrhunderten pädagogische Formen des Frontalunterrichts, Prüfungen und Auswendiglernens, ist heute die Konfi-Zeit abwechslungsreicher und subjektorientierter geworden. Zeitgemäße Didaktik bezieht die Meinung, die Lebenswelt, den Wunsch, etwas kreativ zu gestalten, das Bedürfnis, auch an anderen Orten zu lernen und die digitalen Kenntnisse der Jugendlichen mit ein.

Die Konfi-Arbeit hat sich im Laufe der Zeit von der kirchlichen und häufig offenen Jugendarbeit inspirieren lassen. Das erfolgreichste Format einer Verknüpfung beider Arbeitsbereiche sind die Konfi-Camps. Wir sprechen davon, wenn Freizeiten mit mehr als fünfzig Konfis und einer Dauer von mehr als drei Übernachtungen angeboten werden. Auf großen Zeltplätzen oder in großen Tagungshäusern erleben Jugendliche freizeitpädagogische Angebote der Jugendarbeit wie Kreativ-, Sport-, Musik- oder Tanzworkshops. Herzstück der Großformate sind kreative Formen der religiösen Bildung und eine jugendgemäße Spiritualität. 

Es gibt noch zahlreiche Formate, in denen beide Arbeitsbereiche miteinander verknüpft werden: Church-Night, Rallyes, Fußball-Cup, Reformationsfest-Formate und vieles mehr. Bei der Organisation und Durchführung braucht es Ehrenamtliche.

Die KMU betont die Wichtigkeit von Folgeaktivitäten nach der Konfirmation, um die Vernetzung und Gemeinschaftsbildung aufrechtzuerhalten. Könnten Sie uns einige Beispiele für solche Aktivitäten nennen und wie sie umgesetzt werden?

Vernetzung und Gemeinschaft erleben Konfis schon vor der Konfirmation, wenn sie mit ehrenamtlichen Teamer:innen in der Konfi-Stunde oder anderen Konfi-Events zusammentreffen. Dabei erleben sie, dass Ehrenamt Spaß machen kann. Teamer:innen machen bei Camps, großen Aktionen oder bei regelmäßigen Konfi-Stunden mit. Das motiviert viele, sich nach der Konfirmation ebenfalls ehrenamtlich zu engagieren. In der EKD sind es etwa 62.000 ehrenamtliche Jugendliche (Stand 2013). Es ist zwar zu erwarten, dass durch Corona und den Rückgang der Konfi-Zahlen insgesamt die Anzahl der Ehrenamtlichen sinkt. Aber die Zahl ist immer noch sehr erfreulich.

Als Ehrenamtliche erleben Jugendliche, dass ihnen Verantwortung zugetraut und ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit als relevant wahrgenommen wird. Sie erleben eine relevante Gemeinschaft in ihrer Teamer-Gruppe. Der Pfarrer und Studienleiter Burkhard Nolte formulierte bei einer Fortbildung sehr schön: Teamer:innen werden zu Inhaber:innen eines Amtes auf Zeit, bei dem sie Kirche als eine Institution erleben, die die Jugendlichen ihre Würde entdecken lässt (Quelle mündlich). Darüber hinaus erleben sie eine Kirche, die ihnen Halt, Geborgenheit, Aufmerksamkeit, einen Wirksamkeitsraum und Spaß vermittelt.

Teamer:innen sind pädagogisch unterwegs. Sie halten Andachten, leiten Spiele und Warm-ups sowie Kleingruppenarbeit. Sie moderieren Gespräche und Feedbackrunden. Sie sind für Kreativworkshops in Vorbereitung und Durchführung zuständig. Bei Abendveranstaltungen auf Camps tragen sie die Verantwortung, Animateur:innen bei Spielen und in der Disco zu sein. 

"Als Ehrenamtliche erleben Jugendliche, dass ihnen Verantwortung zugetraut und ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit als relevant wahrgenommen wird"

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die Konfirmandenarbeit in Zukunft?

Simon: Auch wenn die statistischen Daten zeigen, dass die Konfirmationsquote immer noch auf vergleichsweise hohem Niveau liegt und nur langsam sinkt, sind zwei Trends erkennbar: Erstens sinken die absoluten Zahlen der Konfirmand:innen deutlich. Zweitens gibt es im Verhältnis der eingeladenen zu den teilnehmenden Jugendlichen sehr deutliche regionale Unterschiede.

Die Teilnahme an der Konfi-Zeit wird also immer weniger selbstverständlich. Es ist daher nötig, die Arbeit zunehmend auch auf Jugendliche auszurichten, die (noch) nicht der Kirche angehören und überhaupt in Werbung und Einladung zur Konfi-Zeit zu intensivieren. Dem muss auch durch eine Gestaltung entsprochen werden.

Die Konfi-Zeit ist immer wieder herausgefordert, ihre Qualität in einer sich verändernden Lebenswelt der Jugendlichen weiterzuentwickeln. Wie schon vorhin angedeutet, gilt es die Inhalte des christlichen Glaubens auf der Höhe der Zeit mit den Lebensfragen und Lebensthemen der Jugendlichen zu verknüpfen, sonst erlangen sie für die Konfis keine Relevanz. In diesem Sinne orientiert sich eine zeitgemäße Konfi-Arbeit an Subjekt- und Lebensweltorientierung, ist erfahrungs-, handlungs- und erlebnisorientiert und fördert Partizipation und soziales Miteinander. 

Dafür braucht es finanzielle Mittel. Auch macht die Schließung vieler kirchlicher Häuser eine qualitativ hochwertige Arbeit nicht einfacher.

Die Konfis entscheiden zunehmend selbständiger, ob der christliche Glaube ihr Leben bereichert oder nicht. Sie entscheiden selbst, ob und wie lange sie zu einer Kirche gehören wollen. Sie spüren, ob die Verantwortlichen ein Programm abspulen, das sie seit Jahren aus der Schublade ziehen oder ob auf ihre Fragen eingegangen wird und sie ernst genommen werden. Konfi-Zeit sollte für alle beteiligten eine segensreiche und fröhliche Zeit sein. Die Chance liegt darin, sich mit erwachsen werdenden Jugendlichen über Gott und die Welt auszutauschen, biblische Texte kennenzulernen, Traditionen auszuprobieren und spirituelle Erfahrungen zu machen. Irmela Redhead und Astrid Thiele-Petersen schreiben in ihrem Buch: "Jahrhundertelang wurde Konfirmanden-Unterricht als ein rein theologische-pastorale Aufgabe verstanden. Das führte zu fatalen Missverständnissen: Konfis mit abfragbarem Wissen "befüllen" zu wollen geht direkt an ihnen vorbei, egal, wie "gut es gemeint" ist. Die Konfis sind die Subjekte ihres Lernens." Und das wichtigste zum Schluss: Sie bringen bereits einiges mit. Manchmal ist es eine Erfahrung oder eine Ahnung von oder sogar genaue Kenntnis über Gott. Das wichtige dabei ist, die Jugendlichen ernst zu nehmen.