Rufe nach Konsequenzen aus Schiffskatastrophe vor Lampedusa

Rufe nach Konsequenzen aus Schiffskatastrophe vor Lampedusa
Nach dem Tod von mehr als 110 afrikanischen Flüchtlingen im Mittelmeer wird in Europa über Konsequenzen aus dem Unglück vor Lampedusa diskutiert. Es geht um einen besseren Zugang für Flüchtlinge, aber auch um schärfere Maßnahmen gegen Schlepper.

Nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa mehren sich die Rufe nach Konsequenzen. Die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgieva, forderte bessere Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge in die Europäische Union. Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), rief zur Solidarität unter den EU-Ländern im Umgang mit Flüchtlingen auf. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, bezeichnete das Unglück als "Schande für Europa" und forderte eine faire Lastenverteilung.

Das Unglück vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa hatte große Anteilnahme ausgelöst und Rufe nach einer humaneren Flüchtlingspolitik laut werden lassen. Ein Flüchtlingsschiff mit rund 500 Passagieren war am Donnerstag in Brand geraten und anschließend gekentert. Italiens Innenminister Angelino Alfano gab die Zahl der bislang geborgenen Toten am Freitag mit 111 an. Im Rumpf des gekenterten Schiffes sollen Dutzende weitere Leichen liegen. 155 Flüchtlinge überlebten das Unglück. Die meisten Flüchtlinge stammten nach UN-Angaben aus Eritrea.

EU-Kommissarin Georgieva mahnte angesichts der Flüchtlingskatastrophe: "Die EU basiert auf Solidarität. Das bedeutet, dass wir Menschen willkommen heißen müssen, wenn sie unsere Hilfe brauchen." Der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe) sagte die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe: "Wir Europäer müssen nicht nur die Herzen und die Geldbeutel offen halten, sondern auch unsere Grenzen."

EKD-Ratsvorsitzender Schneider sieht Unglück von Lampedusa als "Schande für Europa"

Der EKD-Ratsvorsitzende Schneider sprach von einer "Schande für Europa". "Wir müssen dringend unsere Hilfe verstärken und die Lasten fair verteilen", sagte der Theologe der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstagausgabe). Die europäische Küstenwache müsse die Verpflichtung bekommen, Flüchtlinge in Seenot zu retten: "Sonst droht Europa seine Seele zu verlieren."

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Ähnlich äußerte sich EU-Kommissarin Viviane Reding. Sie forderte die EU-Staaten auf, mehr Solidarität mit Ländern an den EU-Außengrenzen zu zeigen. Auch Deutschland müsse mehr tun. Staaten mit EU-Außengrenzen wie Italien, Griechenland oder Malta trügen eine große Last. "In der EU brauchen wir langfristig eine Lastenverteilung, die sich nach der Aufnahmekapazität der einzelnen Staaten bemisst", sagte die Vize-Präsidentin der EU-Kommission der "Rheinischen Post". Doch das scheitere bisher am Unwillen vieler Mitgliedsstaaten.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte unterdessen schärfere Maßnahmen gegen Schlepper. Die Netzwerke organisierter Schleuser müssten stärker bekämpft werden, sagte er der "Welt am Sonntag". Friedrich wehrte sich zugleich gegen Kritik an der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik. "Wir alle sind tief erschüttert von den dramatischen Bildern aus Lampedusa. Der Vorwurf, dass sich Europa abschottet, ist jedoch falsch", sagte der Minister. Allein Deutschland habe in diesem Jahr schon annähernd 80.000 Menschen Zuflucht gewährt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verlangte eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge in Europa. "Was auf Lampedusa passiert, ist eine große Schande für die Europäische Union. Wir müssen den riesigen Strom von dort ankommenden Flüchtlingen gerechter in Europa verteilen und die Zustände für die Flüchtlinge und für die Inselbewohner vor Ort verbessern", sagte Gabriel der Zeitung "Bild am Sonntag".

Der frühere EU-Parlamentspräsident Pöttering (CDU) unterstrich: "Wir sind eine Solidargemeinschaft. Wenn ein Mitgliedsstaat mit einem Problem allein überfordert ist, dann muss die Solidarität der anderen Partner wirksam werden", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung (Samstagsausgabe). Auch der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, forderte Konsequenzen. "Europa als Festung auszubauen wird nicht funktionieren", sagte er der "Berliner Zeitung" (Samstagsausgabe).